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Steine im Weg des Vergessens: David Rosenbaum und Betty Shlomi mit den Stolpersteinen für ihre Großeltern.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Aufklärung statt Verdrängung

Weitere Stolpersteine erinnern nun in Babelsberg an neun im Holocaust ermordete jüdische Potsdamer

Babelsberg - Das weltweit größte dezentrale Mahnmal ist wieder etwas größer geworden: Gestern verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig in Babelsberg weitere neun Stolpersteine zur Erinnerung an neun im Holocaust ermordete Juden. Damit existieren nun in Potsdam 22 dieser Gedenksteine. Insgesamt hat Demnig, wie er den PNN gestern sagte, bereits über 23 000 Stolpersteine verlegt – in acht Staaten Europas; in Deutschland allein in 568 Kommunen. Mit dem Projekt begonnen hat Demnig im Jahr 2003. Gerechnet hatte er mit „ein paar hundert Steinen“; nun ist „ein Lebenswerk“ daraus geworden, so der 1947 in Berlin geborene und zeitweilig in Nauen aufgewachsene Künstler.

Den neuen Stolpersteinen, versehen mit einer Messingplatte, in der die bekannten Lebensdaten der ermordeten Juden eingraviert sind, ging eine umfangreiche Recherche durch Potsdamer Schüler voraus. So kamen Einzelheiten der Schicksale von Emil, Pauline und Clara Kauf zutage, deren letzte Wohnung sich in der Karl-Marx-Straße 8 befand. Emil Kauf gründete 1902 in Berlin eine Firma, die Damen-Mäntel herstellte. 1912 erwarben die Kaufs das Grundstück in der damaligen Kaiserstraße 8. 1941 mussten sie das Grundstück verkaufen. Im Januar 1943 wurden Kaufs nach Theresienstadt deportiert, wo sie noch im selben Jahr starben.

Auch Albert und Betty Rosenbaum aus dem Körnerweg 4, Kurt Samter und Margot Falkenburg, die in Alt Nowawes 36 wohnten, sowie Theodor und Helene Dornbusch aus der Straße Alt Nowawes 118 überlebten den Holocaust nicht. Zu einer besonderen Begegnung kam es gestern im Körnerweg 4, als die Nachfahren von Albert und Betty Rosenbaum, Betty Shlomi und David Rosenbaum, mit den heutigen Besitzern des Hauses ihrer Großeltern in ein angeregtes Gespräch kamen. Betty Shlomi hatte ihr Haus in der Nähe der israelischen Stadt Haifa auch gerade erst neu gestrichen – in derselben Terracotta-Farbe, mit der die Familie McCaughey das Haus Körnerweg 4 vor Kurzem verschönte. „Als wir das Haus 1995 kauften, erfuhren wir, das es einen jüdischen Hintergrund hat“, erklärte Dagmar McCaughey: „Nun sind wir froh, mehr darüber zu wissen.“ David Rosenbaum, Psychologie-Professor an der Pennsylvania State University, nannte die Stolperstein-Verlegung „eine tiefempfundene Erfahrung“. Er dankte den Schülern für „die tolle Atmosphäre der Zusammenarbeit“.

Auf hebräisch unterhielt sich Barbara Richstein mit den Rosenbaum-Nachfahren. Die Potsdamer Oberbürgermeister-Kandidatin der CDU hat ihr Abitur an einer hebräischen Schule in Israel gemacht. Richstein erinnerte daran, welche Probleme Gunter Demnig Anfangs hatte, sein Kunstprojekt durchzusetzen. Oft sei in Deutschland „mehr die Verdrängung gefordert worden als die Aufklärung“, sagte Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller. Gerade in der Arbeit mit den Schülern zeige sich der richtige Ansatz der Stolperstein-Aktion. Guido Berg

Das Video wurde uns freundlicherweise von PotsdamTV zur Verfügung gestellt.

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