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Landeshauptstadt: Ärzte verweigern Hilfe

Kein Bescheid, keine Krankenversicherung: Das Diakonische Werk kritisiert die Hartz-IV-Praxis

Kein Bescheid, keine Krankenversicherung: Das Diakonische Werk kritisiert die Hartz-IV-Praxis Katrin Böhme von der Flüchtlingsberatungsstelle des Diakonischen Werkes hat auf einer gestrigen Pressekonferenz darauf aufmerksam gemacht, dass viele Flüchtlinge auf große Schwierigkeiten bei der Handhabung der Hartz IV-Anforderungen stoßen. Bescheide seien für ausländische Antragsteller nur schwer zu verstehen, es würden andere Summen überwiesen, als in den Bescheiden eingetragen sind. Dramatisch ist nach Ansicht von Katrin Böhme die Situation bei ausländischen Antragsstellern, die noch keinen Bescheid für eine Grundsicherung erhalten haben und daher nicht krankenversichert sind. Teils verweigerten Ärzte ihnen die Behandlung. Ulrike Simon, die beim Diakonischen Werk Haftentlassene berät, kritisiert zudem den Wegfall speziell für dieses Klientel geschulter Mitarbeiter bei den Behörden. Katrin Böhme berichtet vom Schicksal einer ausländischen Familie mit drei Kindern, die an Menschenrechtsverletzung gemahnt. Die Frau und die Kinder hätten bis dato weder einen Bescheid noch Leistungen der Potsdamer Arbeitsgemeinschaft zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (PAGA) erhalten, obwohl ihr Antrag bereits im September gestellt wurde. In der ersten Januarwoche war die Familie zweimal in der PAGA vorstellig, ohne eine Auskunft oder Leistung erhalten zu haben. Am 11. Januar und am 17. Januar erhielt die Familie auf Drängen Vorschüsse, die aber nicht den Regelleistungen entsprachen. Die Miete wurde nicht überwiesen und die Krankenversicherung ist ungeklärt. Die, wie Katrin Böhme berichtet, aus Rest-Jugoslawien stammende und schwer kriegstraumatisierte Frau hat im Dezember ihr jüngstes Kind entbunden. Aufgrund der fehlenden Krankenversicherungskarte fanden bei dem Kind bis dato keine anstehenden Kontrolluntersuchungen und bei der Mutter keine Nachsorge statt. Die Psychotherapie für die Flüchtlingsfrau sei eingestellt. „Die Therapeutin sagt, es geht erst weiter, wenn die Chipkarte da ist“, so die Beraterin. Zumindest habe sich mittlerweile ein Arzt gefunden, der am heutigen Tag das Neugeborene untersuchen will, ohne dass eine Krankenkassenkarte vorliegt. „Die Frau  selber konnte leider noch nicht zur Nachsorge, die Gynäkologin will erst den Nachweis über die Krankenversicherung“, teilte die Diakonie-Mitarbeiterin gestern Nachmittag den aktuellen Stand mit. Sie kritisiert, dass Menschen aufgrund der Hartz- IV-Mängel in eine „Bettlerfunktion gegenüber den Ärzten“ gedrängt werden. Ulrike Simon berät beim Diakonischen Werk Menschen, die teils bis zu 15 Jahre Haft hinter sich haben: „Diese Menschen sind durch Hartz IV völlig irritiert, sie wissen gar nicht, was hier draußen los ist.“ Kritik übt sie daran, dass es seit der Hartz IV-Einführung keine speziellen Ansprechpartner für diese Menschen gibt. „Diese Leute kommen raus und fangen völlig von vorne an“. Wenn diese Vorbestraften bei den Sozialbehörden auf Vorurteile stoßen, könne es schon passieren, dass es etwas lauter wird oder „der Schreibtisch leer geräumt wird“. Daher sei der Wegfall spezieller Ansprechpartner für dieses Klientel problematisch. Mit Sorge sieht Ulrike Simon künftige verstärkte Haftentlassungen nach den „Arbeit statt Strafe“- und „Schwitzen statt Sitzen“-Plänen des Justizministeriums entgegen. „Ich weiß nicht, wo die Stellen dafür herkommen sollen“, so Ulrike Simon. Guido Berg

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