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Landeshauptstadt: Amtsrichterin: „Vom Gefühl her bleiben Zweifel“

Tränenreiche Verhandlung / Wusste die Mutter tatsächlich nicht, dass die Tochter keine Fahrerlaubnis mehr besaß?

Tränenreiche Verhandlung / Wusste die Mutter tatsächlich nicht, dass die Tochter keine Fahrerlaubnis mehr besaß? AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein „Die Fahrerin des Seat ignorierte zuerst das Zeichen des Haltepostens“, erinnert sich der Polizeibeamte Uwe B. (43) im Zeugenstand. „Dann stoppte sie doch und gab an, keinerlei Papiere bei sich zu haben.“ Schließlich habe sie den Personalausweis herausgerückt. „Wir stellten schnell fest, dass das Auto der Mutter gehört. Der jungen Frau am Steuer wurde die Fahrerlaubnis schon vor Jahren entzogen“, so der Zeuge. „Sie erklärte allerdings, ihr Mutter wisse Bescheid. Wir untersagten die Weiterfahrt und eröffneten ihr, dass wir ein Strafverfahren einleiten würden.“ Die Seat-Besitzerin musste sich nun wegen Gestatten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis vor dem Amtsgericht verantworten. „Ich wusste nicht, dass meine Tochter keine Fahrerlaubnis mehr besitzt“, beteuert Gudrun K.* (55) schluchzend. „Sonst hätte ich ihr das Auto nie und nimmer zur Verfügung gestellt.“ Die Richterin glaubt dies nicht so ganz und lässt Jeanette K.* (30) in den Zeugenstand rufen. Auch sie hat Tränen in den Augen. „Meine Mutter hatte keine Ahnung, dass mir 1995 der Führerschein abgenommen wurde. Ich wollte sie nicht mit meinen Sorgen belasten. Sie hat schon genug Probleme.“ Anfangs habe sie geglaubt, den „Idiotentest“ zu bestehen, berichtet die Angestellte. „Aber das klappte nicht.“ Wenn sie ihre Mutter mit ihrem eigenen Wagen besuchte, seien immer eine Freundin oder ihr Lebensgefährte gefahren. An jenem 13. August 2003 habe sie umziehen wollen, allerdings kein Geld besessen, ein Transportunternehmen zu beauftragen, erzählt die Potsdamerin. Ein Bekannter habe sich erboten, wenigstens einen Teil ihrer Sachen zu fahren, dann allerdings kurzfristig abgesagt. „Da habe ich meine Mutter gefragt, ob sie mir ihr Auto leiht. Sie hat mir bisher immer geholfen.“ Jeanette K. – inzwischen wegen Fahrens ohne Erlaubnis verurteilt – kann die Tränen nicht mehr zurückhalten. Auch die Mama auf der Anklagebank greift zum Taschentuch. Die Vorsitzende vermag nicht nachzuvollziehen, dass die Zeugin bei diesem engen Kontakt eine so wichtige Sache verschwieg. „Haben Sie der Polizei gegenüber betont, Ihre Mutter weiß, dass Sie keine Fahrerlaubnis mehr besitzen? Oder haben Sie gesagt, sie hat Kenntnis davon, dass Sie ihr Auto nutzen?“ , fragt sie. „Letzteres“, entgegnet Jeanette K. Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft glaubt nun an ein Missverständnis, dass zur Anklage führte. „Gudrun K. ging davon aus, dass die Tochter am Straßenverkehr teilnehmen durfte. Im Vertrauen darauf lieh sie ihr das Auto.“ Sie sei daher vom Tatvorwurf freizusprechen. „Vom Gefühl her bleiben Zweifel, ob die Mutter tatsächlich vom Fahrerlaubnisentzug der Tochter wusste“, entgegnet die Amtsrichterin. „Doch diese Zweifel dürfen sich nicht zu Lasten der Angeklagten auswirken.“ Freispruch. (*Namen von der Redaktion geändert)

Gabriele Hohenstein

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