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Homepage: „Am Anfang vollkommenes Neuland“ Gestern hatte der Direktor des Instituts für Agrartechnik Bornim (ATB), Prof. Jürgen Zaske, seinen letzten Arbeitstag. Ein Gespräch mit ihm über die Wendezeit, Bioläden, den Ruhestand und

Herr Professor Zaske, der letzte Lebensmittelskandal liegt erst einige Wochen zurück. Berühren solche Fälle die Arbeit, die Sie in den vergangenen 12 Jahren am ATB vorangetrieben haben?

Herr Professor Zaske, der letzte Lebensmittelskandal liegt erst einige Wochen zurück. Berühren solche Fälle die Arbeit, die Sie in den vergangenen 12 Jahren am ATB vorangetrieben haben? Es gibt aus unserem Forschungsbereich für nahezu alles eine geeignete Lösung, die solche Fälle verhindern müsste. Die Ursachen für die Vorfälle sind aber meist Leichtfertigkeit oder kriminelle Aktivitäten. Beispielsweise Futtermittel direkt mit Abgasen zu trocknen – so etwas macht man einfach nicht. So etwas können wir nicht verhindern. Wir liefern sichere Technik, etwa Wärmetauscher. Betrachten Sie sich als Öko? Ich bin eher ein Technokrat. Wir Agrarforscher können nicht weltanschaulich an die Forschung herangehen. Auch die Ökobauern haben ein Recht, durch gute Technik Geld zu verdienen. Es gibt aber genug Menschen, die ein so geringes Einkommen haben, dass sie beim Discounter einkaufen müssen. Beides muss stimmen. Umweltgifte und Gifte aus der Produktion müssen in beiden Fällen vermieden werden, das ist auch unsere Aufgabe. Dabei sind Sie voran gekommen? Auch die Discounter bieten heute eine gewisse Qualität zu einem geringen Preis. Unsere Landwirte – ob öko oder konventionell – leben in dem Konflikt, einerseits verdienen und andererseits ein gutes Produkt abliefern zu wollen. Da kann unsere Technik weiterhelfen. Etwa bei der Getreideernte: in feuchten Senken können Schimmelpilze mit giftigen Mykotoxinen auftreten. Jetzt gibt es aus der Forschung die Idee, auf dem Mähdrescher das Getreide online zu analysieren, so dass der Fahrer durch eine rote Lampe gewarnt wird. Eine preiswerte und schnelle Lösung. Das belastete Getreide könnte dann automatisch in einen separaten zweiten Korntank geleitet und zur Energiegewinnung genutzt werden. Das sind Entwicklungen, die seit den großen Skandalen in Gang gekommen sind. Der Kunde will heute voraussetzen können, dass das Produkt sicher ist. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt. Eine Entwicklung, an der das ATB mit arbeitet. Den Bioladen sparen Sie sich? Nein, gelegentlich kaufe ich auch dort ein. Es gibt dort Produkte, die beispielsweise besser schmecken als aus anonymer Herstellung. Pflanzen, die langsam wachsen und natürlich gedüngt werden, entwickeln ein anderes Aroma. Aber eine Sicherheit, dass sie gesünder sind, hat man auch nicht. Die grüne Gentechnik geht davon aus, dass wir uns bald die Pflanzenschutzmittel sparen können. Eine Konkurrenz für die Agrartechnik, die Verfahren zum verringerten Pestizideinsatz entwickelt? Nein. Auch genetisch verändertes Saatgut muss z.B. präzise gesät werden. Auch muss bei Resistenz gegen bestimmte Erreger oder Schädlinge häufig umso stärker gegen andere Befallsarten gespritzt werden. Ein Problemfall, für den es auch künftig präzise Lösungen geben muss. Teilweise wird auch am ATB mit Gentechnik gearbeitet, etwa beim Einsatz von Mikroorganismen, die wir mit gentechnischen Markern nach Leistungsfähigkeit kennzeichnen. In den kommenden Jahren können etwa bei der Behandlung von Gülle oder bei der Milchsäureerzeugung zur Herstellung biologisch abbaubarer Kunststoffe gentechnisch optimierte Organismen zum Einsatz kommen. In diesem Bereich sind die Ängste in der Bevölkerung sicher geringer als bei Lebensmitteln, die auf den Tisch kommen. Sie haben dem ATB zu internationalem Ansehen verholfen. Ihr Resümee der vergangenen 12 Jahre? Von der Gründung her sind wir das größte Agrartechnische Institut in Deutschland gewesen. Wenn man im Internationalen Wettbewerb bestehen will muss man nicht nur groß sein, sondern auch gut. Da ging unsere gesamte Konzentration rein. Im Bereich der internationalen Sichtbarkeit haben wir enorm zugelegt. Vielleicht hatte ich persönlich dazu gute Voraussetzungen, ich war Gastwissenschaftler in den USA, jahrelang in der Entwicklungshilfe weltweit im Einsatz, und habe z.B. in Portugal als Regierungsberater eine Forschungsstation für Landtechnik aufgebaut. Was haben sie von dort mitgebracht? Erst einmal Kenntnis von administrativen Strukturen in Zusammenhang mit der Landwirtschaft, mit unterschiedlichem Entwicklungsstand. In der Entwicklungshilfe war ich in der Zentrale der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ): man war einmal in Ceylon, dann in Thailand, ein anderes Mal in Marokko. Da musste man sich jedesmal auf ein neues Land, auf die jeweiligen Mentalitäten einstellen. Was Ihnen dann geholfen hat, sich 1993 in ihre Aufgabe in den neuen Bundesländern einzufühlen? Vielleicht fiel es mir durch diese Erfahrungen tatsächlich so leicht. Eine wirklich beeindruckende Situation war der Anfang. Das Institut war schon gegründet als ich kam. Es gab sieben Abteilungsleiter, ich kam als zweit- oder drittjüngster da rein. Die unglaubliche Akzeptanz der Leute aus dem vorherigen Institut hat mich überrascht. Ich dachte, das kann doch nicht wahr sein, du setzt dich hier hin und sofort läuft eine gute Diskussion. Es hieß, sie hätten gleich zu Beginn auf einer „Schwalbe“ die Felder erkundet. Das ist etwas ungenau kolportiert. Aber natürlich haben wir unsere Runden gemacht. Für mich war interessant, wie die Landwirtschaft im Osten strukturiert ist, das kannte ich bislang nur aus der Literatur. Ich wohnte mit meiner Frau in dem „Gästehaus“ des ATB in Bornim, da lagen die Felder drum herum. Als studierter Kraftfahrzeugtechniker brauchte ich etwas zum Fahren. Die erste Anschaffung war die besagte „Schwalbe“. Es war zwar auch damals nicht zulässig, in der Feldflur mit einem Zweirad herumzufahren, aber so konnte ich mir ziemlich direkt ein Bild von der Landwirtschaft im Osten machen. Und? Vollkommenes Neuland. Nicht nur die Äcker, auch die Mentalität der Menschen. Aber ich konnte mit den Mitarbeitern auch über die gleichen Dinge sprechen, die ich bis zum Abitur, das ich 1956 in meiner Geburtsstadt Fürstenwalde gemacht habe, mit aller politischer Konsequenz miterlebt hatte. Für einen „Bürgerlichen“ bedeutete das damals den Kampf um einen Studienplatz, eine technische Richtung war ausgeschlossen. Das schaukelte sich hoch. Ich hatte es dann noch über den Weg der NVA versucht, ein Studium der Luftfahrttechnik in Dresden. Das war dann, um es nett auszudrücken, politisch etwas schwierig. Sie sind dann zum Studium in den Westen. Ich bin „abgehauen“. Das Abitur habe ich 1957 in Westberlin gemacht. Dann bin ich an der TU gelandet, wo ich Kraftfahrzeugtechnik studieren konnte. Irgendwann habe ich ein paar Fächer zur Landtechnik belegt und dort gute Noten erhalten. Der Professor hat mich dann gefragt, ob ich nicht Assistent werden wollte. So kam ich zur Landwirtschaftstechnik. Sie gelten als kollegial. Es heißt auch, sie hätten am ATB jeden Morgen mit ihren Mitarbeitern gefrühstückt. Als ich nach Bornim kam, war das offensichtlich eine frühere Tradition des Vorgänger-Instituts. Für jemanden, der mit Effektivitätsdenken daher kommt, ist das erst einmal ein Graus, wenn schon die Pause am Vormittag statt einer viertel eine halbe Stunde dauert. Meine anfängliche Abneigung wurde dann aber von Mitarbeitern zerstreut, die mir sagten, dass diese Frühstücke eine wunderbare Möglichkeit sind, um Fachliches und Persönliches zu verbinden. Auch im engeren Umfeld wird nun tatsächlich zusammen gefrühstückt oder Mittag gegessen, wir erklären das nicht zu Arbeitsbesprechungen, das sind welche. Was in Ostzeiten vielleicht eine Möglichkeit war, politisch ungestört zusammen zu finden, fördert nun den Arbeitsprozess. Das Institut wurde Ihr Lebensmittelpunkt? Vollkommen. Je weiter ich an die Pensionierung kam, umso konzentrierter wurde das. Neue Forschungsplanung und -struktur und das Controlling sind Dinge, die in den letzten anderthalb Jahren entstanden sind. Dafür bin ich aber auch nicht mehr in den Nikolaisaal gekommen. Und jetzt fallen Sie in ein tiefes Loch? Spannend wird es schon. Aber nun kann ich alles tun, was bisher vernachlässigt wurde. Etwa Kunst und Kultur, meine Frau ist Malerin. Oder die alte Villa in Glindow, die noch aufgearbeitet werden muss. Dann die Familie, der eine Sohn ist als Architekt in Italien, der andere ist Kleinunternehmer in Wiesbaden. Dann die ganzen Freunde, die durch die vielen Lebensstationen in alle Himmelsrichtungen verstreut leben. Sie sind auch ein Weinkenner. Das ist mehr als ein Hobby. Das kommt noch aus meiner Zeit in Portugal. Der Weinanbau spielt dort eine immense Rolle. Es gab etliche Fachreisen, die mit Mechanisierungsfragen begonnen und im Kollegenkreis in exquisiten Weinproben endeten. Es ging um die Arbeit mit Raupenschleppern, die Erfahrungen aus dem Rheingau mit steilen Hängen und Seilzügen griffen wegen der starken Niederschläge in Portugal zu kurz. Lange Zeit haben wir im Rheingau gelebt und hatten ein kleines Haus im Piemont, auch ein großes Weinanbaugebiet. Leben und Wein war immer ein roter Faden in der Familie. Kennen Sie die hiesigen Weine? Mit Freuden sitzen wir fast jede Woche auf dem Werderaner Wachtelberg und genießen dort Wein und Sonnenuntergänge. Von dort kommen exzellente Weine. In einem sehr schönen Restaurant in der Schorfheide bekam ich einmal einen guten, erfrischenden Weißwein angeboten. Ich dachte an einen leichten Italiener. Doch siehe da, es war ein Müller-Thurgau aus Werder. Zum ATB werden Sie nun aber alle Brücken abbrechen? Auf keinen Fall. Wenn das Institut etwas von mir braucht, werde ich es unterstützen, ich werde dort auch noch ein Büro haben, in dem ich etliche Dinge aufarbeiten kann. Über meinen Nachfolger wird im kommenden Frühjahr entschieden. Ich kenne die Kandidaten und weiß daher meine Nachfolge in jedem Fall in guten Händen. Das Gespräch führte Jan Kixmüller.

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