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Von Guido Berg: 2009 – das Jahr der Jubiläen

Ein Jahr des Feierns und Gedenkens kommt auf die Potsdamer zu: 20 Jahre Mauerfall, 40 Jahre Woodstock, 200 Jahre Stadtverordneten- Versammlung

2009 wird das Jahr der Jubiläen und Gedenktage. Liegt es daran, dass sich die Menschen am Ende einer Dekade irgendwie unter Zugzwang gesetzt fühlen, aktiver werden, wenn die Jahreszahl eine 9 am Ende aufweist? Wie auch immer, da die Stadt Potsdam in der Geschichte immer auch ein besonderer Ort war, geht kaum einer dieser vielen runden Gedenktage spurlos an den Potsdamern vorüber. Höhepunkt wird fraglos der Herbst 2009 sein, wenn sich Wende und Mauerfall zum 20. Mal jähren. Am 10. November 1989 öffnete die Glienicker Brücke – und für die Potsdamer war der Weg nach Westen wieder frei – wenn er geografisch auch nach Osten führte, ins westliche Berlin.

Kaum eine Woche wird in den kommenden 362 Tagen vergehen, ohne dass eines politischen und heute historischen Datums zu erinnern ist: Bei der Varusschlacht, der Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 nach Christus, war wohl noch niemand aus dem nun 1015 Jahre alten Potstupimi (slawisch für „Unter den Eichen“) dabei. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 allerdings muss in Potsdam, 70 Jahre danach, in der einstigen Militärstadt sehr wohl ein Thema sein. Nicht zuletzt weil das Militärgeschichtliche Forschungsamt in Potsdam seinen Sitz hat. Das Jahr 1939 markiert den Anfang eines Krieges, dessen Ende mit der größten Katastrophe in der Geschichte Potsdam einherging – der schrecklichen Bombennacht vom 14. April 1945.

Es gibt kaum ein deutsches Ereignis, das sich nicht als wirkungsmächtig für die Potsdamer erwies: Die doppelte Staatsgründung von 1949 – Gründung von Bundesrepublik und Deutscher Demokratischer Republik (DDR) – machte Potsdam zunächst vollends zur Grenzstadt. Auch den 60. Jahrestag der Verabschiedung des Grundgesetzes der BRD können in Potsdam nicht nur die feiern, die aufgrund ihrer Ost-Biografie erst die letzten 19 Jahre in den Genuss der erfolgreichen bundesrepublikanischen Verfassung kamen. Immerhin enthielt das Grundgesetz den Artikel 23, kraft dessen die DDR der Bundesrepublik am 3. Oktober 1990 beitrat. Faktisch endete damit das Schicksal Potsdams als Grenzstadt.

Mit dem 200. Jahrestag der ersten Sitzung der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung am 20. März in der Lindenstraße 54 begeht Potsdam selbst ein wichtiges lokalpolitisches Ereignis der Demokratiegeschichte. Am 12. und 13. März 1809 wählten die Potsdamer erstmals 60 Stadtverordnete und 24 Nachfolgekandidaten. 17 000 Einwohner hatte die Stadt damals, nur 947 von ihnen waren stimmberechtigte Bürger.

Apropos Demokratiegeschichte: An den 50. Jahrestag des Aufstandes der Tibeter gegen die chinesische Besatzung – die noch anhält – wird nicht zuletzt die Tibet Initiative Potsdam erinnern.

Es gibt 2009 weitere runde Ereignisse, die fast oder völlig auf Potsdam bezogen sind: 1919 schuf der Architekt Erich Mendelsohn die weltberühmten Entwürfe für den Einsteinturm auf dem Telegrafenberg. 70 Jahre sind es her, da Babelsberg und Groß Glienicke nach Potsdam eingemeindet wurden. Vor 40 Jahren eröffnete das Mercure-Hotel als Interhotel, 1999 schloss das Reichsbahnausbesserungswerk (RAW). Im Oktober 1909 hob der Motorflugpionier Orville Wright mit seinem Doppeldecker-Flugzeug „Wright Model A“ zu Demonstrationsflügen vom Bornstedter Feld ab. Der Amerikaner erreichte eine für damalige Verhältnisse sensationelle Flughöhe von 275 Metern – und stellte damit einen Höhenweltrekord auf.

2009 ist auch das Jahr der großen Namen – allen voran vielleicht dieser: Friedrich Schiller. Die Literaturwelt feiert den 250. Geburtstag des Wallenstein-Autors. Die in Potsdam ansässige Familie von Wolzogen wird am 10. November sicher ein Glas auf den großen Weimarer erheben, sind die von Wolzogens doch in besonderer Weise mit Schiller verbunden: Nach seiner Flucht aus der Militärakademie bekam Schiller bei Henriette von Wolzogen im thüringischen Bauerbach Asyl. Im Jahre 1804 weilte der Goethe-Freund sogar selbst kurz in Potsdam.

Ein ganz Großer auch ist Alexander von Humboldt, dessen 150. Todestag am 6. Mai gedacht wird. Zehn Jahre vor seinem Tod, 1849, verlieh die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung an Humboldt die Potsdamer Ehrenbürgerschaft.

Weiter denken die Potsdamer in diesem Jahr an den Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy, dessen Geburtstag sich am 3. Februar zum 200. Mal jährt. Sein Großvater war der Philosoph Moses Mendelssohn, nachdem sich das 1992 gegründete Potsdamer Zentrum für europäisch-jüdische Studien (MMZ) benannt hat. Ein Enkel des Komponisten, Otto von Mendelssohn Bartholdy, lebte in Potsdam in der Bertinistraße.

Er war das schwarze Schaf unter den Aufklärungsphilosophen schlechthin – oder, um es in seiner Muttersprache zu sagen, das enfant terrible: Julien Offray de La Mettrie. Er kam ins Potsdamer Exil, weil ihm sein Buch „Der Mensch als Maschine“ (L’Homme maschine) in Frankreich leicht den Kopf hätte kosten können. Friedrich der Große lud ihn zur Tafelrunde ins Schloss Sanssouci. Lessing beschimpfte seine zum Teil auch in Potsdam geschriebenen Werke über Glück und Lust als „Porneutik“. Vor 300 Jahren, am 11. November 1709, wurde La Mettrie geboren.

Die Gedenk-Liste großer Namen, mal mit mehr, mal mit weniger Potsdam-Bezug, ließe sich lange fortsetzen – anlässlich des 150. Todestages von Wilhelm Grimm, des 200. Todestages von Joseph Haydn, des 250. Todestages von Georg Friedrich Händel oder auch des 150. Geburtstages von Sir Arthur Conan Doyle

Nicht zuletzt feiert Potsdam in diesem Jahr einen noch sehr Lebendigen: Am 31. März begeht Regisseur und Wahlpotsdamer Volker Schlöndorff seinen 70. Geburtstag.

Und auch das sollte nicht unerwähnt bleiben: Sie alle drei sind Baujahr 1949 – Billy Gibbons, Dusty Hill und Frank Beard. Zusammen bilden die Bärtigen die Band ZZ Top, die im letzten Jahr in Potsdam spielten. Sie sind die dienstälteste Rockband in Originalbesetzung auf der Welt, gegründet vor 40 Jahren, im Woodstock-Jahr 1969. Und das ist gar keine Frage, der „Summer of ''69“ war auch für viele Potsdamer heiß. 40 Jahre ist es nun her.

Als ob es der irdischen Gedenk- und Feieranlässe nicht genügt, ist 2009 auch noch das „Jahr der Astronomie“. Anlass ist nicht das 40. Jubiläum der Mondlandung, als Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betrat. Vielmehr blickte vor 400 Jahren, anno 1609, das erste Mal ein Astronom durch ein Fernrohr: Galileo Galilei. Dieser Moment, das „first light“ sozusagen, als das Licht erstmals Galileis Fernrohr durchleuchtete, markiert schlicht eine Revolution in der Himmelsforschung: Die Teleskop-Astronomie begann; der Mensch ward fortan an nicht mehr auf sein bloßes Auge angewiesen. Galilei sah die Krater auf dem Mond, er erkannte, dass die Milchstraße aus vielen einzelnen Sternen besteht und entdeckte die vier größten Monde des Jupiter. In der Stadt Potsdam, in der mit dem Großen Refraktor immerhin das viertgrößte Linsenfernrohr der Welt steht, mit dem 1904 die interstellare Materie entdeckt wurde, muss Galileis Jubiläum auch ein ganz besonderes sein.

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