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Brandenburg: Stadt Niemegk leistet Offenbarungseid Die Gemeinde im Fläming hat kein Geld mehr für Löhne

Für Landrat und Städtebund ist der Fall exemplarisch

Für Landrat und Städtebund ist der Fall exemplarisch Von Thorsten Metzner Niemegk. Bislang gibt es wohl keinen vergleichbaren Fall in Brandenburg: Das Städtchen Niemegk im Landkreis Potsdam-Mittelmark ist faktisch pleite – und kann den Angestellten in Kindergarten, Hort und Schulküche die Gehälter nicht, oder nur in Abschlägen zahlen. „Unsere Kassen sind leer“, bestätigte Eckhard Zorn (SPD, der ehrenamtliche Bürgermeister des Ortes im Fläming, den PNN. Und neue Kredite werden nicht genehmigt. Zwar wird mit dem Landkreis jetzt nach einer Lösung gesucht und wohl auch gefunden werden, wie der Belziger Landrat Lothar Koch (SPD) zusichert. Koch hat sich inzwischen an das Potsdamer Innenministerium gewandt, damit Niemegk Liquiditätshilfen aus dem Sonderfonds für in Not geratene märkische Gemeinden erhält. Doch nicht nur für Bürgermeister Zorn liegt die Wurzel des Offenbarungseides in der unzureichenden Kommunalfinanzierung. „Die Landesregierung muss endlich aufwachen.“ Tatsächlich ist Niemegk, 2400 Einwohner, davon 219 arbeitslos, kaum Gewerbe, ein Wasserturm und ein Karnevalsverein – eine typische kleine brandenburgische Gemeinde. Und der Haushalt ist, wie anderswo auch, seit Jahren defizitär. „Die Zuweisungen vom Land wurden immer weniger, eigene Einnahmen wachsen nicht. Durch staatliche Vorgaben müssen wir immer mehr Aufgaben übernehmen“, beschreibt der SPD-Lokalpolitiker die Abwärtsspirale im Stadtsäckl. Dass sich Niemegk selbst in die Misere gewirtschaftet haben könnte, wie manche wegen des kürzlichen Wechsels in der Kämmerei vermuteten, weist der Bürgermeister vehement zurück – mit einem Rechenbeispiel: „Wenn man die Zuweisungen für Niemegk mit den Pflichtausgaben wie die Umlage für den Kreis, das Amt und die Schule verrechnet, bleiben unterm Strich 180 000 Miese.“ Die wurden bisher über Kredite finanziert, so wie in zwei von drei Gemeinden im Land, bis es jetzt eben nicht mehr ging. Bürgermeister Zorn prophezeit, dass weitere Orte folgen werden, die ihren Rathaus-Angestellte Gehälter nicht mehr zahlen können. Es könnte, so auch Geschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher vom Brandenburger Städte- und Gemeindebund, „das Fass zum Überlaufen bringen.“ Der Fall Niemegk, sagt auch Landrat Lothar Koch (SPD) sei „exemplarisch“ für die Situation vieler Gemeinden im Landkreis, ja im ganzen Land. Im Innenministerium gibt es deshalb den Notfonds für „Pleitegemeinden“, wie ihn Landtagsabgeordnete inzwischen nennen: In den letzten drei Jahren flossen insgesamt 41,3 Millionen Euro – in rund 60 Kommunen. Im Haushalt 2004 sind rund 8 Millionen eingeplant. Doch die sind ohnehin nur die Spitze des Eisberges, wie Karl-Ludwig Böttcher, der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes sagt. Der Kommunalverband geht davon aus, dass zwei von drei Gemeinden im Land keine ausgeglichenen Haushaltes mehr haben – die Differenz wird über Kredite, oder durch Verkauf von Tafelsilber finanziert. Umso eindringlicher mahnt Böttcher, dass das seit langem geforderte und von der Landesregierung versprochene „Finanzausgleichsgesetz“, das den Kommunen Entlastung und Planungssicherheit bringen soll (Siehe Kasten), noch in diesem Jahr verabschiedet wird. Zwar hatten Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) und die SPD dieses Gesetz vehement gefordert. Doch den von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) jetzt vorgelegten Entwurf weisen die Sozialdemokraten als „Schnellschuss“ zurück. Auch im Kabinett gibt es Widerstände, was nicht verwundert: Denn mit dem neuen Gesetz sollen rund 200 Millionen Euro, die bislang die Ministerien über Förderbescheide verteilen können, direkt zur freien Verwendung an die Kommunen ausgezahlt werden. Es ist aber, so warnt Regierungschef Matthias Platzeck, kein zusätzlicher Geldregen für die Kommunen: Es werde künftig nur anders verteilt. Dennoch sieht auch Städtebundgeschäftsführer Böttcher, selbst SPD-Mitglied, mit Sorge, dass beim FAG die eigenen Genossen jetzt auf die Bremse treten. „Das ist nicht gut.“ Zwar habe der Schönbohm-Entwurf tatsächlich Mängel. „Aber die kann man nachbessern.“

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