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Brandenburg: Soziales Arbeiten am Limit

Finanzielle Lage der Frauenhäuser in Brandenburg desolat – Alle hoffen auf Aufhebung der Haushaltssperre

Finanzielle Lage der Frauenhäuser in Brandenburg desolat – Alle hoffen auf Aufhebung der Haushaltssperre Von Julia Jester Rathenow. Vor Catrin Seegers sitzt eine Frau. Während sie erzählt, kommen ihr die Tränen. Letzte Nacht hat er sie wieder geschlagen. Zuhören, reden lassen, Rat geben - das ist es, was die Frauen brauchen, die zu Seegers kommen, der Leiterin des Frauenhauses in Rathenow. „Wenn ich nur mehr Zeit hätte“, klagt sie. Aber im ganzen Havelland gibt es nur sie und ihre Mitarbeiterin, die für die Probleme der Frauen zuständig sind. Deshalb muss Seegers dieses Gespräch jetzt beenden und mit dem Auto losfahren. Frauen in Falkensee und Nauen besuchen, die nach einer Zeit im Frauenhaus wieder nach Hause zurück gegangen sind oder jetzt in einer eigenen Wohnung leben. Auch Frauen, die noch mit ihrem Mann in einem Haushalt leben, möchten sie sprechen. Und dann ist noch das Treffen im Rathaus, bei dem es wieder einmal ums Geld geht. „Dieses Jahr sollen wir mit 50 000 Euro auskommen. Selbst mit einer Kürzung unseres Gehalts wird das nicht machbar sein“, sagt Seegers. Im vergangenen Jahr stand ihr noch ein weitaus höherer Etat zur Verfügung. Immer weniger Angestellte müssen immer mehr Arbeit leisten und ein immer größer werdendes Zuständigkeitsgebiet betreuen. „Das alles mit so wenigen Mitteln zu zweit zu bewältigen, ist fast schon ein Ding der Unmöglichkeit“, sagt Seegers. Nicht nur in Rathenow gibt es diese Probleme. In ganz Brandenburg befinden sich die Frauenhäuser in einer schwierigen Situation. Das vom Land bereit gestellte Geld wird nirgendwo ausreichen. Obwohl es Arbeit genug gibt, wurde im vergangenen Jahr das Frauenhaus in Gransee geschlossen, und Fürstenwalde ist nur noch eine Notaufnahme mit vier Plätzen. 21 Frauenhäuser gibt es in ganz Brandenburg. Dass die Einrichtungen dringend gebraucht werden, erfährt Seegers jeden Tag. Im Kreis Havelland, für den sie zuständig ist, leben rund 150 000 Einwohner, davon sind etwa die Hälfte Frauen. Jede fünfte Frau ist von häuslicher Gewalt betroffen. Immerhin – nach einigem Streit ums Geld konnten die beiden Stellen in Rathenow und die Arbeit des Frauenhauses vorerst gesichert werden. In Zukunft kann es sein, dass die Polizei zuerst zu den betroffenen Frauen geht und dann gegebenenfalls an die Frauenhäuser verweist. Dieses Konzept wird zumindest in Brandenburg/Havel getestet. Möglicherweise werden bei knappen Kassen andere kostengünstigere Verbände einen Teil der Arbeit der Frauenhäuser übernehmen. Doch dafür seien diese Angestellten einfach nicht richtig ausgebildet, kritisiert Seegers. Da Brandenburg spart, wo es nur geht, sehen die Leiterinnen der Frauenhäuser für die Zukunft Schwarz. Ob den betroffenen Frauen und Kindern in Zukunft sinnvoll und gut geholfen werden kann, ist zu einer Frage von Rechenspielen, Kreativität und viel Idealismus geworden. Die Leiterinnen, die zum Teil diese Häuser selbst aufgebaut haben, wollen den Betroffenen auf jeden Fall so lange wie möglich eine qualitativ hochwertige Versorgung bieten. So nehmen sie heute schon lange Wege und viel Arbeit auf sich, um so vielen Frauen wie möglich zu helfen. Das Frauenministerium erkennt die Arbeit in den Frauenhäusern durchaus an und lobt, wie gut die Frauen im vergangenen Jahr mit den knapperen Mitteln zurecht gekommen sind. Dem Ministerium sei aber auch bewusst, dass mit dem Etat für dieses Jahr keine großen Sprünge gemacht werden können, sagte ein Sprecher. Jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt bekämen für die Frauenhäuser pauschal zunächst einen Bescheid über 50 000 Euro. Vorerst würden aber wegen der Haushaltssperre nur 85 Prozent – also 42 500 Euro – ausgezahlt. „Wir hoffen, dass die Sperre im Laufe des Jahres wieder aufgehoben wird“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums.

Julia Jester

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