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Ein Plakat mit dem Slogan "Berlin gegen Nazis" steht an einer Mahnwache vor dem neuen Flüchtlingswohnheim in Berlin-Hellersdorf.

© Tim Brakemeier/dpa

Nach erneuten Demonstrationen: Proteste gegen Flüchtlingsheim in Berlin - Bannmeile gefordert

Menschen aus Syrien und Afghanistan fliehen vor der Gewalt in ihrer Heimat. In Berlin hoffen die Neuankömmlinge, endlich zur Ruhe zu kommen. Vergebens.

Berlin - Der Streit um ein neues Flüchtlingsheim in Berlin hat die Debatte um die Unterbringung von Asylbewerbern in Deutschland wieder angefacht. Am Mittwoch gab es erneut vereinzelte Proteste rechtsgerichteter Demonstranten gegen die Sammelunterkunft für Bürgerkriegsopfer aus Syrien und Afghanistan im östlichen Berliner Stadtteil Hellersdorf. Mit einem Großaufgebot hielt die Polizei Gegner und Befürworter des Heimes an verschiedenen Orten der Stadt auseinander. Berlins Integrationsbeauftragte Monika Lüke forderte zum Schutz der Flüchtlinge eine Bannmeile gegen Demonstrationen vor den Heimen.

In der Nacht zu Mittwoch war es in Hellersdorf zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und der Polizei gekommen. Dabei war ein Polizist durch ein Flaschenwurf schwer verletzt worden. Er erlitt einen Jochbeinbruch und wurde in die Klinik gebracht, wie die Polizei mitteilte. 25 Personen seien festgenommen worden. Bereits seit Montag hatte es Proteste gegen die Unterkunft gegeben, nachdem die ersten von rund 200 Flüchtlingen dort eingezogen waren.

Am Mittwoch verliefen die Demonstrationen weitgehend friedlich.

Eine Kundgebung der islamfeindlichen Bürgerbewegung pro Deutschland in der Nähe des Asylbewerberheims wurde von lautstarken Gegendemonstranten gestört. Rund 300 Polizisten waren im Einsatz. In Berlin-Friedrichshain warfen Vermummte während einer Kundgebung Böller auf Gegner des Hellersdorfer Flüchtlingsheims. Zehn Anhänger der Bürgerbewegung pro Deutschland hatten sich in der Liebigstraße versammelt, um gegen die Notunterkunft zu protestieren. Als von einem Hausdach Böller flogen, versteckten sie sich hinter Autos. An der Warschauer Brücke in Friedrichshain wurde ein Gegendemonstrant festgenommen. Er soll versucht haben, über eine Absperrung zu den Heim-Gegnern zu gelangen.

Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, erklärte, Rechtspopulisten und Faschisten würden in Berlin gezielt Stimmung gegen Asylbewerber machen. „Hier geht es um Menschen, die aus Krisengebieten fliehen, wo sie oft um ihr Leben fürchten müssen“, erklärte Graumann. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Berliner Luft durch Menschenhass und Fremdenfeindlichkeiten verpestet wird.“ Der evangelische Landesbischof Markus Dröge forderte, die Sorgen der Anwohner der Asylunterkünfte ernst zu nehmen. Überall, wo Flüchtlinge ihre Geschichte erzählen und Anwohner ihre Befürchtungen äußern könnten, gebe es schnell gute Erfahrungen, sagte Dröge im RBB-Inforadio.

Angesichts der wachsenden Zahl von Asylbewerbern forderte der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach ein Krisentreffen von Bund, Ländern und kommunale Spitzenverbänden. Das Thema dürfe nicht den Rechtspopulisten überlassen werden, sagte Bosbach der „Saarbrücker Zeitung“ (Mittwoch). Städte und Gemeinde hielten seinen Vorschlag für prüfenswert. Hingegen kam aus dem Bundesinnenministerium eine Absage.

Berlins Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) kritisierte Bosbachs Forderung nach einem Krisengipfel als „wahlkampfpolitische Panikmache“. Damit mache sich Bosbach zum „Büttel der Rechtsextremen, die mit ebensolcher Panikmache und rassistischen Vorurteilen versuchen, Stimmen zu gewinnen“, erklärte Kolat.

Mit dem Streit um die Heime soll sich auch das Abgeordnetenhaus befassen. Die Grünen forderten eine parteiübergreifende Solidaritätserklärung für die Flüchtlinge. Das Parlament sollte in seiner kommenden Sitzung „ein gemeinsames Zeichen für die Menschen setzen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind“, erklärte die Fraktionsvorsitzende Ramona Pop. Am kommenden Montag wollen die Grünen das Thema auch schon im Innenausschuss diskutieren.

In Berlin leben zur Zeit rund 6500 Flüchtlinge in Sammelunterkünften. In den kommenden Monaten müssten Plätze für weitere 1000 Menschen in den einzelnen Bezirken gefunden werden, sagte eine Sprecherin von Sozialsenator Mario Czaja (CDU). Ein neues Heim soll im Dezember für rund 220 Flüchtlinge im Stadtteil Pankow öffnen.

Berlins Integrationsbeauftragte Lüke hält ein Demonstrationsverbot rund um Flüchtlingsheime für sinnvoll. Die Demonstrationsfreiheit dürfe nicht auf Kosten der Menschen gehen, die erneut um Leib und Leben fürchten müssen, wenn zu Hass gegen sie aufgestachelt werde. Innensenator Frank Henkel (CDU) sprach sich gegen ein grundsätzliches Verbot von rechtsextremen Kundgebungen in der Nähe von Flüchtlingsheimen aus. „Der Vorschlag ist nicht zu Ende gedacht“, sagte er der taz (Donnerstag). „Es ist nicht die Aufgabe des Staates, zu entscheiden, wogegen demonstriert werden darf.“

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