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Stromfresser: Beheizter Gehweg am Kurfürstendamm: Toller Luxus oder sinnlose Verschwendung?

Vor Haus Cumberland wird der Boden elektrisch erwärmt, um Glätte zu vermeiden. Die Energiebilanz ist so katastrophal, dass der Bezirk genauer hinschauen will.

Berlin - Die Adresse des Haus Cumberland am Kurfürstendamm gehört zu den besten der Stadt. Sie ist so gut, dass die Mieter und Bewohner des kürzlich sanierten Prachtbaus sich nicht mit den Unbilden des Winters – genauer: des Winterdienstes – plagen müssen. Denn bei der Sanierung wurde unter dem Gehweg eine Heizung verlegt, so dass Schneeflocken schon den Aufprall nicht mehr überleben. Von einem „Geschenk an die Bürger Berlins“ ist in einer der PR-Agenturen die Rede, die das Haus und dessen Ruf betreuen. Ebenso gut ließe sich die Heizung allerdings als Konjunkturprogramm für die Stromwirtschaft bezeichnen. Oder als Energieverschwendung, die in Zeiten von Heizpilzverbot und Klimawandel mindestens diskussionswürdig ist.

Nach Auskunft von Olaf Kortmann, Regionalleiter der Herstellerfirma, werden die 600 Quadratmeter Gehweg elektrisch beheizt – jeder mit etwa 400 Watt. Nach einem langen Schneefalltag stehen demnach 5760 Kilowattstunden (bzw. 1500 Euro) auf dem Zähler. Die entsprechen dem Jahresverbrauch zweier Familien. Legt man den Strommix von Vattenfall zugrunde, pusten die Kraftwerke dafür mehr als drei Tonnen Kohlendioxid in die Luft. Das schafft selbst eine ganze Hundertschaft der umstrittenen Heizpilze kaum schneller. Marc Schulte (SPD), Stadtrat für Tiefbau und Ordnungsangelegenheiten in Charlottenburg-Wilmersdorf, findet die von seiner Behörde genehmigte Heizung zwar „ganz charmant“, aber die Energiebilanz so „katastrophal“, dass er den Fall nochmals prüfen will. Zumal in seinem Bezirk das Heizpilzverbot relativ konsequent durchgesetzt wird.

Auf der Referenzliste der Heiztechnikfirma stehen auch andere Berliner Immobilien: Jeweils mehr als 1000 Quadratmeter Rampen sind am Bundeskanzleramt sowie im Parkhaus am Südkreuz heizbar, außerdem eine Zufahrt zum Gesundbrunnencenter und – deutlich kleiner – am Astron-Hotel. Bundesweit stehen vor allem in Hand von Unternehmen befindliche Veranstaltungsorte sowie Hubschrauberlandeplätze von Kliniken auf der Liste.

Cumberland-Architekt Christian Kumbernuß beschreibt die Gehwegheizung als Spätfolge des Chaoswinters mit der wochenlangen Glätte vor drei Jahren. Der Eigentümer des Gebäudes habe diese Variante auch im Interesse der Gewerbemieter – Boutiquen und ein Restaurant – gewählt: „Wenn es den Kunden gut geht, geht es auch den Läden gut“, sagt er. Das Schmelzwasser laufe dank einer Rinne nicht bis auf den öffentlichen, unbeheizten Gehwegbereich. Und: „Eine Schneekanone in Berchtesgaden braucht mehr Strom als diese Heizung im ganzen Jahr.“

Tatsächlich glimmen die Heizspiralen nach Auskunft von Kortmann nur, wenn Sensoren die glätteträchtige Kombination von Kälte und Nässe registrieren; schätzungsweise 250 Stunden im Jahr.

Die Wärmeerzeugung aus konventionellem Strom gilt wegen der Verluste im Kraftwerk als besonders ineffizient. Im Portfolio des Fernwärmelieferanten Vattenfall sind Gehwegheizungen allerdings nicht vorgesehen, wie Sprecher Hannes Hönemann sagt: „Das wäre auch abrechnungstechnisch schwierig.“ Die Heizung vor dem Cumberland war nur möglich, weil dort nur ein Teil des Gehwegs in öffentlicher Hand ist. Auf diese Bereiche beschränkt sich auch das Heizpilzverbot, das mehrere Bezirke vor Jahren verhängt hatten. Eine stadtweite Regelung wie von der früheren Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) geplant, ist vorerst vom Tisch: „Nach unserer Einschätzung ist das rechtlich schwierig oder sogar unmöglich“, sagt eine Sprecherin von Lompschers Nachfolger Michael Müller (SPD).

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