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Linkspartei: Von der Sowjetunion gelernt

Linken-Politiker im Nordosten rechtfertigen den Mauerbau – und nerven so ihre Genossen

Von Matthias Meisner

Für Erwin Sellering, den Ministerpräsidenten, ist die Situation recht komfortabel. Seit drei Jahren steht der SPD-Politiker an der Spitze der Regierung von Mecklenburg-Vorpommern. Er kommt aus Niedersprockhövel bei Bochum, aber darüber redet in seinem Bundesland kaum noch einer. Der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen, Roland Jahn, charakterisiert Sellering so: „Er gibt den Ostversteher und biedert sich damit seinem Wahlvolk an.“

Jahns Attacke stört ein wenig. Aber im Grundsatz ist Sellerings Linie bisher erfolgreich gewesen: Die Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte überlässt der Politiker am liebsten den Ostdeutschen. Und damit auch der Linkspartei, die für Sellering als Koalitionspartner ebenso gut infrage kommt wie die jetzt mit ihm regierende Union. Und die Linke hat – intern gilt das als Fehler – für das Wochenende 13./14. August nach Rostock zum Landesparteitag geladen, also ausgerechnet zum 50. Jahrestag des Mauerbaus. Während Sellering, wie kürzlich im Tagesspiegel-Interview, davon spricht, dass das Leben in der DDR nicht auf das „schwerste Unrecht“ verkürzt werden solle, muss sich die Linke wohl oder übel zur Sache verhalten.

Doch diese Auseinandersetzung läuft nicht nach Plan. Zwar hat der Landesvorstand in einem fünfseitigen Positionspapier eine Vorlage mit viel Selbstkritik früherer SED-Genossen geliefert. Der linke Parteiflügel um Arnold Schoenenburg von der Antikapitalistischen Linken aber präsentierte ein Gegenpapier, von dem vor allem relativierende Sätze zum Mauerbau hängen blieben. Dieser sei „eine zwingende Konsequenz“ gewesen, um einen „kriegerischen Konflikt“ zu verhindern, für die Führungen der Sowjetunion und der DDR „ohne vernünftige Alternative“ gewesen, schreiben Schoenenburg und Genossen. Die Führung der Landespartei dagegen meint, die „unmittelbare Bedrohung“ der DDR sei nicht von außen, sondern von innen gekommen, von der „erklärbaren mangelnden Ausstrahlungskraft des Sozialismus“ im Vergleich zum westdeutschen „Wirtschaftswunder“ selbst ausgegangen. Nicht wenige seien 1961 vom sozialistischen Experiment enttäuscht gewesen: „Dieses anzuerkennen fällt vielen schwer, lässt sich aber nicht wegdiskutieren.“

Nach dem Plan des Landesvorsitzenden Steffen Bockhahn, der sich in Rostock zur Wiederwahl stellt, sollen die Papiere nicht abgestimmt werden. Nach der Landtagswahl am 4. September werde es eine Konferenz und mehrere Versammlungen zum Thema geben. Diskussionsstoff freilich gibt es schon zuvor. Der Wahlkampfchef der Nordost-Linken, André Brie, nannte es fatal, dass ein Teil der Genossen im Lande den Mauerbau rechtfertige. Er habe gehofft, dass seine Partei weiter sei. Und Spitzenkandidat Helmut Holter, Chef der Landtagsfraktion, sah sich zu einer Klarstellung genötigt: „Kein Ideal“ könne das mit dem Mauerbau verbundene Unrecht rechtfertigen.

Die Linke will nach dem 4. September mit der SPD regieren. Genüsslich erklärt Sellering, er werde sich zuvor „natürlich anschauen“, wie sich die Linke bei der Mauerbau-Frage verhalte.

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