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Politik: Vatikan wird weniger italienisch

Rom - Genau 80 Jahre nach seiner Gründung baut der kleinste Staat der Welt seine Unabhängigkeit aus. Zukünftig will der „Staat der Vatikanstadt“, wie er offiziell heißt, die italienischen Gesetze nicht mehr automatisch übernehmen, sondern jeden Einzelfall prüfen.

Rom - Genau 80 Jahre nach seiner Gründung baut der kleinste Staat der Welt seine Unabhängigkeit aus. Zukünftig will der „Staat der Vatikanstadt“, wie er offiziell heißt, die italienischen Gesetze nicht mehr automatisch übernehmen, sondern jeden Einzelfall prüfen.

Die päpstliche Tageszeitung „Osservatore Romano“ schrieb zur Begründung, Italien erlasse zu viele Gesetze. Zudem sei die bürgerliche Rechtsordnung „sehr wechselhaft“ und damit nicht vereinbar mit dem mittelalterlichen Ideal von der „Ruhe in der Ordnung“. Und nicht zuletzt stünden Italiens Gesetze „allzu häufig im Widerspruch zu Grundsätzen der Kirche“.

„Ein Misstrauensvotum gegenüber Italien“, wettern die weltlichen Zeitungen in Rom. „Aufgeblasener Unfug“, schallt es dagegen aus dem Vatikan zurück. Doch selbst innerhalb des Kirchenstaats gehen die Meinungen über die Auswirkungen auseinander. Den Artikel im „Osservatore“ hatte José Maria Serrano Ruiz verfasst, der Leiter der Kommission zur päpstlichen Rechtsreform. Eine eilige Beschwichtigung kam per Radio Vatikan von Giuseppe Dalla Torre, dem Präsidenten des Vatikanischen Gerichtshofs.

Dalla Torre meint, mit dem seit 1. Januar gültigen „Gesetz über die Quellen des Rechts“ ändere sich „nicht viel“. Es handele sich um eine rein rechtstechnische Maßnahme, betonte er: „Der wichtigste Punkt ist, dass wir nicht mehr das italienische Bürgerliche Gesetzbuch von 1865 anwenden, sondern das von 1942; das ist moderner.“

Dennoch ändert der Vatikan damit eine seit 80 Jahren bestehende Praxis. Die 1929 abgeschlossenen Lateran verträge sehen vor, dass in Bereichen, in denen der Vatikan keine eigenen Normen hat, die entsprechenden Gesetze des italienischen Staates gelten. In Zukunft müssen diese nun erst ausdrücklich vom Kirchenstaat genehmigt werden.Paul Kreiner

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