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Politik: Unglaubliche Geschichten

Im Hamburger Terrorprozess tritt der Überraschungszeuge auf, der Mzoudi belasten soll – doch seine Aussage ist zweifelhaft

Von Frank Jansen

Der Mann kommt unvermummt, obwohl sein Aussehen für seine Feinde interessant sein könnte. Hamid Reza Zakeri, Überläufer des iranischen Geheimdienstes, erscheint am Freitag im Hamburger Oberlandesgericht wie ein biederer Geschäftsmann: olivfarbener Anzug, getönte Brille, gestutzter Vollbart, das schwarze Haar im Nacken ein wenig länger. Seine Personalien will der Iraner nicht preisgeben, der Name Zakeri sei falsch. Doch mit dem „arbeite“ er seit 18 Jahren, sagt der Mann, den die Bundesanwaltschaft vorige Woche in letzter Minute gegen den Terrorverdächtigen Abdelghani Mzoudi aufgeboten hat. Mit ihm wird das Verfahren um eine fragwürdige Aussage reicher.

Zakeri behauptet, eine „Quelle“ aus dem Iran habe ihm Mitte Dezember mitgeteilt, Al Qaida wolle Mzoudi mit einer Briefbombe umbringen. Sie solle in Düsseldorf oder Zürich abgeschickt werden. Darüber habe der Al-Qaida-Anführer in Iran, Saif al Adel, mit Militärs gesprochen. Zakeri sagt, Al Qaida glaube, Mzoudi sei im Dezember aus der Untersuchungshaft entlassen worden, „weil die CIA über ihn an Hauptquellen rankommen“ wolle. Der Vorsitzende Richter Klaus Rühle fragt Zakeri, warum er nicht sofort die Bundesanwaltschaft oder die Polizei informiert habe. Der Zeuge antwortet, sein nächstes Treffen mit der Bundesanwaltschaft „war erst für den 14. Januar gedacht“.

Zakeri sagt, Mzoudi sei 1997 in Iran gewesen und habe dort den Umgang mit geheimen Codes gelernt; das hat keine Sicherheitsbehörde der Welt bisher auch nur angedeutet. Nach drei Stunden reicht es Richtern und Prozessparteien, der Zeuge kann gehen. Zakeri bietet noch an, einen Eid zu schwören, doch Richter Rühle winkt ab: „Nee, brauchen Sie nicht.“ Nach der Mittagspause gerät Zakeris Glaubwürdigkeit noch mehr ins Wanken: Rühle verliest Briefe von BND und Verfassungsschutz. „Die Wertigkeit seiner Informationen ist sehr gering“, heißt es da. Dann macht der Richter Tempo: Die Prozessparteien sollen zum zweiten Mal und bitte gleich ihre Plädoyers vortragen.

Bundesanwalt Walter Hemberger verwahrt sich erst gegen Behauptungen, die Anklage habe Zakeri benutzt, um das Urteil hinauszuzögern. Dann bekräftigt er: 15 Jahre Haft wegen Beihilfe zum Terrorangriff des 11. September und zum 3189-fachen Mord. Mzoudis Anwältin Gül Pinar nennt Zakeri einen „Märchenerzähler“ und kritisiert, die Bundesanwaltschaft habe das Revisionsurteil im Fall Motassadeq abwarten wollen. Der war im Februar 2003 zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, die Tatvorwürfe sind nahezu dieselben wie bei Mzoudi. Am Donnerstag beriet der Bundesgerichtshof über das Urteil gegen Motassadeq, vertagte die Entscheidung aber auf den 4. März.

Mzoudis Anwältin verlangt auch jetzt wieder Freispruch. Richter Rühle beugt sich kurz vor und verkündet, kommenden Donnerstag werde das Urteil gesprochen. Zakeri scheint da fast schon vergessen.

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