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Christian Lindner nimmt Streit mit seinen Kollegen in Kauf.

© AFP/Michael Sohn

Minister will Fracking-Verbot aufheben: Lindner legt sich mit Habeck und Scholz an

Der Finanzminister hat die hohen Energiepreise als „neues Normal“ bezeichnet und eine Aufhebung des Fracking-Verbots gefordert. Das widerspricht der Linie der Ampel-Partner.

Erst veröffentlichte Finanzminister Christian Lindner (FDP) ein Papier, in dem er eine Zeitenwende in der Wirtschaftspolitik mit niedrigeren Steuern und weniger Regulierung forderte. Nun hat er die hohen Energiepreise als „neues Normal“ bezeichnet und eine Aufhebung des Fracking-Verbots gefordert. Der FDP-Chef tut alles, um die Sichtbarkeit seiner Partei vor dem Dreikönigstreffen am kommenden Freitag zu erhöhen.

Dabei nimmt Lindner auch einen Streit mit den Koalitionspartnern von SPD und Grünen in Kauf. Im jüngsten Fall liegt er vor allem mit Robert Habeck (Grüne) über Kreuz. Der Wirtschaftsminister hatte erklärt, er hoffe, dass die hohen Gaspreise für Verbraucherinnen und Verbraucher Ende 2023 sinken werden.

Dabei hatte Habeck auf den Ausbau der Flüssiggas-Terminals verwiesen. Wenn die Infrastruktur zum Import von Flüssiggas im jetzigen Tempo ausgebaut werde, „dann werden wir auch die Weltmarktpreise bekommen, die deutlich unter dem liegen, was wir jetzt haben“, hatte Habeck beteuert.

In der „Bild am Sonntag“ hielt Lindner nun dagegen. „Gas über die Flüssiggasterminals ist schon aus logistischen Gründen teurer als das russische Pipeline-Gas“, sagte der FDP-Chef. „Das Preisniveau bleibt also höher, aber ohne ruinöse Spitzen“, fügte er hinzu.

Nach der Auffassung von Lindner müsse die Ampel im neuen Jahr das Fracking-Verbot in Deutschland aufheben. Auf diesem Wege könne verstärkt Gas in Deutschland gefördert werden. „Eine unabhängige Expertenkommission des Bundestages hat 2021 bestätigt, dass die Technologie verantwortbar ist. Das Verbot sollte fallen“, so Lindner.

Allerdings hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) erst im Dezember erneut der Fracking-Methode ein klare Absage erteilt. Fracking ist seit 2017 in Deutschland verboten. Scholz hatte die Förderung von Schiefergas mit einer Fata Morgana verglichen: „Wenn man ihr näherkommt, löst sie sich in Luft auf.“

Fracking würde im dichter besiedelten Deutschland zu Schwierigkeiten führen.

Jutta Paulus, Grünen-Europaabgeordnete

Noch ausgeprägter als bei der SPD ist die ablehnenden Haltung gegenüber der Fracking-Methode bei den Grünen. Aus der Sicht des von Steffi Lemke (Grüne) geführten Umweltministeriums würden bis zum Aufbau der nötigen Infrastruktur zur Förderung von Schiefergas Jahre vergehen.

Die Grünen-Europaabgeordnete Jutta Paulus hält zudem Lindners Vorstoß für zu kurz gegriffen, durch die Förderung von Schiefergas etwas an den hohen Verbraucherpreisen zu ändern. „Die Vorstellung, mit der Aufhebung des Frackingverbots die Inflationsraten der nächsten drei Jahre beeinflussen zu können ist ungefähr so realistisch wie ein kommerzieller Kernfusionsreaktor innerhalb des nächsten Jahrzehnts“, sagte sie dem Tagesspiegel.

In den USA war Wissenschaftlern im vergangenen Monat laut Regierungsangaben ein Durchbruch auf dem Feld der Kernfusion gelungen. Die kommerzielle Nutzung der Technologie liegt allerdings immer noch in weiter Ferne.

In Deutschland wird nach der Einschätzung der Bundesnetzagentur noch nicht genug Energie eingespart.

© Foto: dpa/Franziska Gabbert

Die USA gelten auch als Vorreiter bei der Fracking-Technologie. Dazu sagte Paulus: „Ein genauer Blick auf die Fracking-Regionen in den USA würde auch verdeutlichen, welche Schwierigkeiten im viel dichter besiedelten Deutschland auftreten würden.“ Daher solle man in Deutschland besser alle Kraft in Energieeffizienz und Erneuerbare stecken, sagte sie.

Als kritisch gilt die Versorgung mit Gas für Deutschland in diesem, vor allem aber auch im kommenden Winter. Aufgrund der milden Witterung füllten sich die Gasspeicher in Deutschland zuletzt zwar wieder. Der aktuelle Füllstand beträgt 89,7 Prozent. Anfang Februar muss der Füllstand nach den Vorgaben des Wirtschaftsministeriums aber noch rund 40 Prozent betragen.

Der Grund: Je mehr Gas während des gegenwärtigen Winters verbraucht wird, umso schwieriger wird es, die Speicher ab dem kommenden Frühjahr zu füllen – diesmal ohne russische Importe.

Dabei bewertet die Bundesnetzagentur die Tatsache weiterhin als kritisch, dass in Deutschland das Einsparziel von 20 Prozent immer noch verfehlt wird. Nach den Angaben der Agentur lag der Gasverbrauch im alten Jahr in der 50. und 51. Kalenderwoche temperaturbereinigt nur um 12,4 Prozent unter dem Referenzwert der letzten vier Jahre.

Vor diesem Hintergrund könnten sich die Liberalen darin bestärkt fühlen, ihre Forderung nach einer Aufhebung des Fracking-Verbotes auch beim bevorstehenden Dreikönigs-Treffen zu bekräftigen. An einer anderen Stelle entschärfte Lindner unterdessen das Konfliktpotenzial, das seine Vorstöße zur Jahreswende enthielten.

Der Finanzminister nahm Abstand von seiner Forderung zur Senkung der Einkommensteuer, die er wenige Tage zuvor noch erhoben hatte. „Solange es bei den Koalitionspartnern kein neues Denken gibt, konzentriere ich mich auf das Erreichbare“, sagte Lindner nun.

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