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Nach dem Sturm auf die britische Botschaft: Teheran isoliert sich weiter

Die westlichen Länder ziehen ihre Botschafter ab, Sanktionen werden verschärft, weil der Iran immer radikaler auftritt. Welche Gründe hat das und was folgt daraus?

Die westlichen Länder ziehen ihre Botschafter ab, Sanktionen werden verschärft: Nachdem am Dienstag iranische Demonstranten die britische Botschaft in Teheran gestürmt und verwüstet hatten, wird das Land immer stärker isoliert.

Wer steckt hinter der Besetzung der britischen Botschaft in Teheran?

Bei dem Angriff handelte es sich keineswegs um eine spontane Protestaktion, sondern eine gezielte Provokation, sagt der Iran-Experte der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin, Walter Posch. Nicht Studenten hätten die Botschaft gestürmt, sondern Mitglieder der Basiji, einer paramilitärischen Miliz, unterstützt von Mitgliedern der Revolutionsgarden. Dies habe er auf den Fotos erkennen können, an Alter und Art des Vorgehens der Angreifer, an der relativ einheitlichen Kleidung mit Windjacken und bestimmten Schuhen, sagt Posch. Auch in der iranischen Presse werde das offen gesagt. Es gibt laut Experten auch Hinweise darauf, dass selbst ein General der Revolutionsgarden an der Aktion beteiligt war. „Dies würde erklären, warum die Wachen vor der Botschaft nicht eingegriffen haben“, meint Posch.

Die Basiji, im Krieg gegen den Irak als Freiwilligenmiliz gegründet, werden von Präsident Mahmud Ahmadinedschad und Teilen des Regimes bis heute als bezahlte Schlägertrupps finanziell unterstützt und eingesetzt: Sie waren maßgeblich an der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf den Straßen Irans 2008 beteiligt. Auch gegen religiöse Minderheiten, wie beispielsweise die Sufi-Derwische, setzt das Regime die Schlägertrupps ein.

Was sagen uns die Ereignisse über die innenpolitische Lage im Iran?

„Es ist seit längerem deutlich, dass diese Gruppen außer Kontrolle geraten“, sagt Posch. Seit Monaten werde im Iran von verschiedenen Fraktionen darüber diskutiert, dass der Rechtsstaat gestärkt werden müsse. Dabei habe man die Basiji im Blick, die ihre Entmachtung fürchten. „Daher hat die Aktion sowohl eine innen- wie eine außenpolitische Komponente“, erklärt Posch. Innenpolitisch wolle man seine Macht demonstrieren, außenpolitisch seien diese Gruppen daran interessiert, Ausländer aus dem Iran zu vertreiben. „Das Regime muss sich jetzt entscheiden, ob es diese Extremisten weiter alimentieren will oder ihren Einfluss eindämmen“, fordert Posch.

Auch wenn die Bilder der Erstürmung der britischen Botschaft Erinnerungen an die Besetzung der US-Botschaft 1979 wachrufen, seien beide Vorgänge nicht zu vergleichen. Auf dem Höhepunkt der Islamischen Revolution 1979 sei es um den Islam als globale Kraft gegangen. 2011 sei die islamische Natur des Regimes längst zu Grabe getragen, und die Erstürmung sei nur Ausdruck simpler Fremdenfeindlichkeit von Nationalisten. Auf viele Iraner wirke die Aktion eher peinlich. Die Basiji, die in ihrer „ideologischen Scheinwelt“ lebten und von der „permanenten Revolution“ träumten, seien die größten Feinde aller Pragmatiker in der iranischen Führung. Aber im Staatsapparat hätten sie starke Verteidiger.

Auch Präsident Ahmadinedschad hatte sich auf die Basiji und Revolutionsgarden gestützt, sie zum Dank für Unterstützung in hohe Ämter gehievt. Öfters tritt er selbst in der Uniform der Basiji auf. Auch hat Ahmadinedschad seit kurzem den iranischen Nationalismus als neue politische Kraft entdeckt und gefördert, um seine Machtbasis gegenüber dem traditionellen religiösen Lager zu stärken, das Ahmadinedschad gegenüber kritisch ist. Mittlerweile ist auch ein offener Machtkampf zwischen Ahmadinedschad und dem Religionsführer Ali Khamenei entbrannt.

Wie wird sich die Botschaftskrise auf die wegen des Atomprogramms ohnehin angespannten Beziehungen des Westens zum Iran auswirken?

Die Krise ist laut Posch „sehr ernst“ und könnte sich verschärfen, wenn keine adäquate Reaktion aus dem Iran kommt. Eine Distanzierung, wie vom iranischen Außenministerium bereits formuliert, werde nicht ausreichen. Eine formelle Entschuldigung möglicherweise auch nicht. Wenn das Regime nicht „energisch“ gegen die Basiji durchgreift, wüssten die EU-Staaten, dass jede andere Botschaft auch Ziel solcher Angriffe werden könne.

Posch befürchtet, dass die Basiji nicht in die Schranken gewiesen würden, weil der Preis innenpolitisch zu hoch sei, da sie viele Anhänger im Staatsapparat haben. Die Erstürmung der britischen Botschaft habe gezeigt, dass das Regime Gewalt nicht verhindern wolle oder könne. Ein Abzug der europäischen Botschafter würde die Isolation des Iran entscheidend vorantreiben – wie von den Basiji und anderen revolutionären Gruppen gewünscht. Ein verschärftes Vorgehen im Atomstreit, bis hin zu einem möglichen Militärschlag gegen den Iran, will Posch aus der Botschaftskrise jedoch nicht automatisch ableiten. Die am Donnerstag von der EU beschlossenen neuen Sanktionen seien lange geplant gewesen als Reaktion auf das Atomprogramm Teherans.

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