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Gaslieferungen: Russland und die Ukraine streiten weiter

Trotz Einigung auf eine Beobachtermission geth der Konflikt zwischen Russland und Ukraine weiter. Kiew befürchtet die schleichende Enteignung des Gasverteilersystems durch Moskau. Die Leidtragenden der Krise befinden sich in Südosteuropa - die Gasnotversorgung in Bulgarien reicht nur noch für zehn Tage.

Moskau - Die gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Moskau und Kiew gehen auch nach der Einigung Russlands mit EU-Ratspräsident Mirek Topolanek auf eine Beobachtermission weiter. Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin warnte vor einer Zuspitzung des Konflikts und machte die Ukraine für eine drohende Verschlimmerung der Krise verantwortlich. Kiew sah sich derweil durch den Einsatz von EU-Beobachtern zur Überprüfung der Gas-Pipelines benachteiligt. Nach wie vor fließt in mehrere Staaten Südosteuropas kein russisches Gas.

Putin sagte weiter, er hoffe, dass die EU-Vertreter die ukrainische Seite von der Notwendigkeit überzeugen könnten, eine Grundsatzvereinbarung zu unterzeichnen. Die noch ausstehende Unterzeichnung scheint die größte Hürde bei den Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew zu sein. Die Vereinbarung sieht die Entsendung von Beobachtern aus beiden Ländern sowie aus der EU vor, um die Gasleitungen zu überprüfen.

Die Ukraine fürchtet, die Beobachtermission könne dem russischen Energieriesen Gasprom in die Hände spielen und das heimische Gasverteilersystem unter russische Kontrolle bringen. Das würde den Beginn der Enteignung des ukrainischen Gasverteilersystems durch Russland markieren, warnte Vize-Außenminister Konstantin Jelisejew in Kiew. An der geplanten Beobachtermission seien rund ein Dutzend europäische Gaskonzerne beteiligt, von denen „die meisten“ von Gasprom kontrolliert würden.

Erneut trat in der Ukraine auch der Machtkampf zwischen Präsident Viktor Juschtschenko und Regierungschefin Julia Timoschenko zutage: Roman Bessmertni, ein ranghohes Mitglied von Juschtschenkos Stab, warf Timoschenko vor, eine „Verbündete des Kreml“ zu sein. Topolanek hatte bereits angedeutet, dass eine „Kluft“ zwischen Juschtschenko und Timoschenko die Bemühungen um eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen behindert haben könnte. Allerdings hatte er sich zugleich überzeugt gezeigt, dieses Problem bei einem Treffen mit ukrainischen Vertretern in Kiew gelöst zu haben. Am Freitag hatte es zunächst so ausgesehen, als sei die Einigung auf eine Beobachtermission perfekt. Ein Sprecher für die EU-Präsidentschaft sagte: „Das Vertrauen auf eine Einigung hat am Freitag einen Schub bekommen.“ Topolanek kündigte an, die Region nicht eher zu verlassen, bis wieder russisches Erdgas über die Ukraine nach Europa geliefert werde.

Unterdessen leisten sich die vom Gaslieferstopp betroffenen Staaten angesichts der anhaltenden Kältewelle weiter untereinander Hilfe. Nach seinen Lieferungen nach Serbien wollte Ungarn noch am Samstag mit Gaslieferungen auch an Bosnien-Herzegowina und Kroatien beginnen, wie Energieministerin Csaba Molnar mitteile. Der heimische Energiekonzern MOL arbeite dabei mit der deutschen Eon Ruhrgas zusammen. Serbien liefert Gas nach Bosnien. Beim Wiederanfahren der Gasversorgung kam es in Sarajevo zu einer Explosion, bei der fünf Menschen verletzt wurden. Eine 44-Jährige erlitt nach Krankenhausangaben schwere Verbrennungen, vier weitere Familienmitglieder wurden leicht verletzt. Wegen des Lieferstopps im russisch-ukrainischen Gasstreit waren bei Temperaturen bis minus 17 Grad 72 000 Haushalte ohne Heizung. Auch Kroatien, das Industriebetrieben und Einkaufszentren wegen der Krise inzwischen den Gashahn abdrehte, wird seit Samstagfrüh von Eon Ruhrgas versorgt: Stündlich würden für drei Tage 42 000 Kubikmeter Gas ins Land geliefert, teilte der Energieversorger Plinacro mit.

Die Ukraine will ihrerseits Erdgas aus eigenen Beständen an Bulgarien und Moldawien liefern. Geliefert würden von Samstag an täglich zwei Millionen Kubikmeter Gas, teilte das Präsidialamt mit. Das drastische Sparprogramm in Bulgarien kann nach Angaben der Regierung die Notversorgung des Landes mit Erdgas nur noch zehn Tage aufrechterhalten. Die Verbraucher erhalten nun täglich rund 5,7 Millionen Kubikmeter Gas aus den nationalen Reserven, teilte Regierungschef Sergej Stanischew am Samstag mit. Sollte sich die Lage nicht bessern, würde diese Gasmenge nach zehn Tagen schrumpfen. Für eine normale Versorgung braucht Bulgarien 12 Millionen Kubikmeter Erdgas pro Tag. Das Land ist zu 95 Prozent von russischen Gaslieferungen abhängig.AFP/dpa

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