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Politik: Parteien-Streit um Einheit eskaliert: Schröder wirft CDU Geschichtsfälschung vor

Der Streit der Parteien um ihren Beitrag zur Wiedervereinigung hat vor dem offiziellen Festakt zum zehnten Jahrestag an Schärfe gewonnen. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) warf Altkanzler Helmut Kohl (CDU) am Wochenende Geschichtsfälschung vor.

Der Streit der Parteien um ihren Beitrag zur Wiedervereinigung hat vor dem offiziellen Festakt zum zehnten Jahrestag an Schärfe gewonnen. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) warf Altkanzler Helmut Kohl (CDU) am Wochenende Geschichtsfälschung vor. CDU-Chefin Angela Merkel sagte: "Kaum ein Thema eignet sich so sehr für eine Debatte zwischen den Parteien und in der Gesellschaft wie die deutsche Einheit." Altbundespräsident Richard von Weizsäcker vermisst im Tagesspiegel-Gespräch Respekt der Westdeutschen für die Menschen im Osten.

Weizsäcker sagte, die Zufriedenheit sei gewachsen. Dennoch "haben wir es im menschlichen und sozialen Sinn auch noch mit einer zerklüfteten Landschaft zu tun". Bei der Vereinigung gehe es "um ein Mindestmaß von Gerechtigkeit und vergleichbaren Lebensbedingungen, und hier sind die Klüfte noch nicht überwunden."

Der frühere sowjetische Präsident Michail Gorbatschow sagte dieser Zeitung: "Es gibt für mich keinen Grund, dem Kommunismus nachzuweinen. Ich bin glücklich, dass ich die Perestrojka durchgesetzt habe: um Demokratie und Freiheit zu schaffen." Er kritisierte, dass nach Erreichen der deutschen Einheit die europäische Einigung vernachlässigt worden sei. Russland trage dabei eine Mitschuld an seiner Misere. Aber auch "der Westen macht strategische Fehler".

Schröder sagte, eigentlich habe er sich nicht auf den Streit darüber einlassen wollen, wem die deutsche Einheit gehöre. Aber "wenn andere die Geschichte zu verfälschen versuchen, um aus dem Sumpf des Spendenskandals herauszukommen, dann ist Schluss". Kohl meinte dagegen auf der Feier zum zehnten Jahrestag des Zusammenschlusses von CDU Ost und West: "Die Führung der SPD und mit ihr ein Großteil der Linken in Deutschland hatten den Auftrag des Grundgesetzes, die deutsche Einheit in Freiheit zu wahren, aufgegeben." Die Partei habe in dieser Schicksalsfrage versagt. Schröder habe noch wenige Monate vor dem Mauerfall 1989 die Chancen für eine Vereinigung bestritten.

Die CDU hatte die Festveranstaltung am Sonntag angesetzt, um Kohl die Gelegenheit zu geben, zehn Jahre nach der Einheit auf einer öffentlichen Veranstaltung zu sprechen. Zur offiziellen Einheitsfeier am kommenden Dienstag war er von Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) nicht als Redner eingeladen worden. Kohl verzichtete daraufhin auf sein Kommen.

Zum zehnten Jahrestag der deutschen Einheit wurden die beiden früheren SED-Politbüromitglieder Günter Schabowski und Günther Kleiber aus der Haft entlassen. Beide waren wegen Totschlags an DDR-Flüchtlingen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Dank einer Begnadigung durch Berlins Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) mussten sie nur rund neun Monate im offenen Vollzug verbüßen.

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