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Olaf Scholz, SPD-Kanzlerkandidat, spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung der SPD auf dem Heumarkt.

© dpa/Rolf Vennenbernd

Wahlkampfabschluss in Köln: Olaf Scholz und die SPD – geeint ins Kanzleramt?

Beim Abschluss ihrer Wahlkampftour präsentiert sich die SPD so einig wie selten zu vor. Das könnte der Schlüssel für den Wahlsieg am Sonntag sein.

„We Are Family“ und „You’re Simply the Best” – bis ins kleineste Detail wie die Musikauswahl der Einheizer-Live-Band zieht die SPD beim letzten Stopp ihrer Wahlkampftour ihres Kanzlerkandidaten Olaf Scholz das Thema der neuentdeckten Einigkeit durch. Auf dem Kölner Heumarkt sparen die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenpersonal daher auch nicht.

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Mit Svenja Schulze, Hubertus Heil und Christine Lambrecht sind drei Kabinettsminister vor Ort. Außerdem sitzt die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo in der ersten Reihe und hört, was ihr sozialdemokratischer Parteikollege zu sagen hat. Noch wichtiger aber ist, dass auch die beiden Parteivorstände Saskia Eskens und Norbert Walter-Borjans da sind.

Eskens sagt, dass es „seit der Wahl zum Bundesvorstand nur das Ziel Kanzleramt gibt“. Scholz sei der richtige Kandidat. Vor knapp zwei Jahren konnte sie sich noch nicht einmal dazu durchringen, den 63-Jährigen als standhaften Sozialdemokraten zu bezeichnen.

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Dass die Parteilinke den Mitte-Kandidaten mittlerweile nicht nur akzeptiert, sondern geschlossen hinter Scholz steht, sorgt an diesem grauen Septemberfreitag für beste Stimmung auf und vor der Wahlkampfbühne mit ihren grellen LED-Wänden und dem runden Aufsteller, auf dem „Olaf packt das an“ steht.

Das gewagte Rezept eines linken Wahlprogramms

Die SPD hat in diesem Wahlkampf das überwunden, was sie in den vergangenen 15 Jahren immer wieder scheitern ließ. Nun beschert Scholz seiner Partei die Chance, die Martin Schulz im Januar 2017 nur für zwei Wochen aufrechterhalten konnte: eine reelle Chance auf die Kanzlerschaft.

Kurz vor der Wahl scheint das gewagte Rezept eines linken Wahlprogramms mit einem Kandidaten der Mitte aufzugehen. Die SPD liegt 50 Stunden vor der Schließung der Wahllokale auf Platz eins der Umfragen. Die Verwunderung darüber, dass die Sozialdemokraten das Ruder noch einmal herumgerissen haben, ist auch heute zu spüren.

Die wichtigsten Tagesspiegel-Artikel zur Bundestagswahl 2021:

Generalsekretär Lars Klingbeil sagt: „Dieses Mal haben sich unsere Gegner unsere alten Fehler gut angeschaut und machen die ganz gut nach.“ Er meint den Machtkampf zwischen Söder und Laschet.

Als Scholz die Bühne betritt, tost schließlich der Applaus. Auch zum Ende dieses Wahlkampfs wirkt Scholz in weißem Hemd und Anzughose nicht ermüdet. Er präsentiert sich als Macher, hemdsärmelig und mit Humor. „Corona ist noch da, denn ich sehe, dass Karl Lauterbach heute da ist“, witzelt Scholz.

[Lesen Sie hier bei T+: Wo er herkommt, wo er hinwill - Der lange Lauf des Olaf Scholz]

Er fügt aber hinzu, dass der natürlich nicht für das Virus verantwortlich sei. Solche Witze sind ihm im Wahlkampf schon einmal auf die Füße gefallen, als er Geimpfte salopp Versuchskaninchen nannte.

Aufholjagd der Sozialdemokraten

Das hat ihm nicht geschadet. Als Scholz den Wahlkampf vor gut einem Monat in Bochum begann, hatte die Aufholjagd der Sozialdemokraten bereits begonnen. Damals hieß es, dass vor allem die patzenden anderen Kanzlerkandidatinnen und -kandidaten Baerbock und Laschet verantwortlich für den einsetzenden Höhenflug der Partei waren.

Olaf Scholz, Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat

© dpa/Martin Meissner/AP/POOL

Das Zwischenhoch hielt jedoch an und das, obwohl auch Scholz in den letzten Wahlkampfwochen immer wieder von seiner persönlichen Rolle bei Cum-Ex und Wirecard eingeholt wurde. Das hatte zwar Einfluss auf seinen Wahlkampf. Anfang der Woche erschien Scholz überraschend persönlich vor dem Finanzausschuss in Berlin, obwohl er in Baden-Württemberg Wahlkampftermine geplant hatte. Die Umfragewerte der Partei blieben aber auch davon unberührt.

[Lesen Sie hier bei T+: Direktes Duell in Potsdam - Scholz gegen Baerbock]

Auf der Bühne in Köln betet Scholz nun noch ein weiteres Mal seine Ziele und die seiner Partei vor: ein Mindestlohn von 12 Euro, Wiedereinführung der Vermögenssteuer sowie einen Klimaschutz, der die deutsche Industrie schützt.

Scholz’ Publikum ist vorwiegend älter, hier kommt diese Sicht gut an. Die Jüngeren marschieren unterdessen am anderen Ende des Platzes. „Fridays for Future“ zieht in mehreren Demonstrationszügen durch die Kölner Innenstadt. Man hört das Wummern der Musik der Fridays auch auf dem Heumarkt. Und man hört die Trillerpfeifen der Aktivisten, während Scholz spricht. Einige sind herübergekommen. Scholz ignoriert sie, aus dem Konzept bringen sie ihn nicht. Das ist der Merkelstil, den Scholz so vehement von sich weist.

Gleichzeitig prallen hier aber schon längst die Konfliktlinien aufeinander, denen sich Scholz bei einem möglichen Wahlsieg tatsächlich stellen muss. Für den Pragmatiker beginnt dann die Vermittleraufgabe erst.

Da ist einerseits FDP-Chef Lindner, der sich öffentlich Jamaika wünscht, da sind „unsere lieben Freunde die Grünen“, wie Scholz mit einem Schmunzeln sagt, die mit einem stärkeren Mandat als 2017 auf eine schnelle Klimapolitik bestehen werden.

Und nicht zuletzt wird sich nach der Wahl zeigen, wie viel der heute demonstrierte Zusammenhalt mit der Parteilinken tatsächlich wert ist, wenn neben der Ampel auch ein Bündnis mit der Linkspartei möglich wäre.

David Renke

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