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Politik: Mit einem Stufenplan zur deutschen Einheit wollte Hans Modrow am 1. Februar 1990 die DDR retten - noch heute trauert der Ex-Regierungschef der Initiative nach

Willy Brandt bewies erneut Gespür. "Die Sache ist gelaufen", sagte der SPD-Ehrenvorsitzende am 1.

Willy Brandt bewies erneut Gespür. "Die Sache ist gelaufen", sagte der SPD-Ehrenvorsitzende am 1. Februar 1990 über die deutsche Einheit. Grund für den Optimismus war ein Stufenplan, den DDR-Regierungschef Hans Modrow vorstellte. "Deutschland soll wieder ein einig Vaterland werden", meinte Modrow. Sein Konzept sah eine sukzessive Annäherung beider Staaten vor. Voraussetzungen: ein Friedensvertrag und militärische Neutralität. Der mit dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow abgestimmte Plan sorgte für Furore. "Die UdSSR verkauft die DDR zum Preis der Blockfreiheit", schrieb der Pariser "Figaro". Modrow dagegen hoffte auf die Rettung seines Staates. Rückblickend sagt er: "Wir wollten in die Offensive." Zehn Jahre später sitzt der 72-Jährige in seinem kleinen Berliner PDS-Büro und erzählt, warum die Initiative damals verpuffte.

Die ersten Reaktionen waren entmutigend. Die Bundesregierung schloss einen "deutschen Sonderweg" prompt aus. Im Kreml gaben sich amerikanische Unterhändler die Klinke in die Hand und lockten mit Finanzhilfen. Bereits eine Woche später verabschiedete sich Moskau vom Modrow-Papier. Der Initiator ist noch heute verbittert: "Gorbatschow hat unsere Interessen aufgegeben." Der als Hoffnungsträger gestartete und dann als Konkursverwalter agierende Modrow geißelt den "Verrat aus Unfähigkeit". Auf ein Blatt Papier schreibt er das Wort "Souveränität" und kreist es ein. "Gleichberechtigte Verhandlungen wären der richtige Weg gewesen." Selbst Adenauer hätte das gewusst. Aber der sei sowieso klüger als Kohl gewesen, resümiert der PDS-Ehrenvorsitzende.

Modrow muss eingestehen, dass seine Initiative keine Chance hatte. Das Volk forderte die D-Mark. Helmut Kohl, der am 28. November 1989 mit einem Zehn-Punkte-Plan auf die Vereinigung eingeschwenkt war, bestimmte das Tempo. Die Hoffnungen auf einen "dritten Weg" hat Modrow trotzdem nicht aufgegeben. Er klagt mit lauter Stimme über Versäumnisse bei der "sozialen Einheit" und kämpft im Europaparlament für seine Ideale. Auf die Frage, ob er sich glücklich im vereinten Deutschland fühlt, antwortet Modrow mit einem Zögern. Dann sagt er leise: "Manchmal".

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