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Friedrich Merz (l-r), Bundesvorsitzender der CDU, und Kai Wegner, Spitzenkandidat der CDU Berlin, kommen zu einem Wahlkampf-Bürgertreffen im Gemeinschaftshaus Gropiusstadt im Bezirk Neukölln.

© dpa / dpa/Monika Skolimowska

Exklusiv

Merz gegen die Ministerpräsidenten: Die CDU hadert mit der Schuldenbremse

Die Mehrheit der CDU-Ministerpräsidenten wünscht sich eine Reform der Schuldenbremse. Die Parteispitze hat die strikte Sparregel ins Grundsatzprogramm geschrieben. Wer setzt sich durch?

Die CDU schlägt mal wieder Haken. Der Anlass ist diesmal die Schuldenbremse. Vergangene Woche konnte sich der Chef der Parteinachwuchsorganisation JU auf die Brust trommeln: Johannes Winkel war es gelungen, die strikte Sparregel im Grundsatzprogramm der Partei zu verankern. Damit liegt die Junge Union ganz auf Linie von CDU-Parteichef Friedrich Merz, der vor kurzem im Bundestag sagte: „Ich schließe eine Zustimmung meiner Fraktion zu einer Aufweichung der Schuldenbremse heute erneut aus.“

Damit wäre alles gesagt zur Haltung der Christdemokraten zur Schuldenbremse, könnte man meinen. Ganz so klar ist die Haltung der Christdemokraten aber dann doch nicht. Ein Blick auf die unterschiedlichen Lager.

Der Rebell

Nur wenige Tage, nachdem die Schuldenbremse in den Parteileitfaden hinein zementiert wurde, schickte sich ein CDU-Lokalfürst an, die Autorität des Parteichefs zu untergraben. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner verkündete, dass die schwarz-rote Landesregierung eine Bundesratsinitiative zur Reform der Schuldenbremse noch in diesem Jahr vorbereite. Diese brauche es, um Zukunftsinvestitionen in Bildung, Infrastruktur und Digitalisierung tätigen zu können, sagte Wegner.

Trotz Kritik aus der Bundestagsfraktion und Missbilligung aus der Parteizentrale weicht Wegner in der innerparteilichen Auseinandersetzung nicht von seinem Kurs ab. Beim politischen Frühstück der Berliner Wirtschaftsgespräche wagte er eine indirekte Kampfansage gegen Merz. „Wenn der eine oder andere meint, er kann mich bremsen, dann wird er mich noch kennenlernen“, sagte Wegner. „Denn ich kämpfe, wofür ich stehe.“

Wenn der eine oder andere meint, er kann mich bremsen, dann wird er mich noch kennenlernen. Ich kämpfe, wofür ich stehe.

Kai Wegner setzt sich für eine Reform der Schuldenbremse ein.

Angeblich hat der Berliner sich für seinen Vorstoß im Bundesrat die Unterstützung mehrerer CDU-regierter Bundesländer gesichert. Man wolle die Initiative aber erst nach dem CDU-Bundesparteitag Anfang Mai konkretisieren, da der CDU-Chef vorher nicht beschädigt werden soll.

Länderchefs lassen Vorsicht walten

Die anderen CDU-Landeschefs lehnen sich bei weitem nicht so aus dem Fenster wie Wegner. Michael Kretschmer aus Sachsen kann sich weitere Notlagefonds ähnlich wie bei der Flut im Ahrtal vorstellen. Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther und Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff sehen Handlungsbedarf, können sich aber im Gegensatz zu Wegner auch bis nach der Bundestagswahl gedulden.

Im Koalitionsvertrag des Hessischen Ministerpräsidenten findet sich ein klares Bekenntnis zur Schuldenbremse. Boris Rhein zeigte sich aber offen für eine Reform.

© IMAGO/Chris Emil Janssen/Archiv

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein ist per Koalitionsvertrag an die Schuldenbremse gebunden. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel zeigte er sich aber offen, über Reformvorschläge zu sprechen. Und Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst hat sich öffentlich noch nicht positioniert. Nur Wegners Anti-Haltung gegen Merz führe dazu, dass aktuell niemand mit ihm einen öffentlichen Pakt gegen die Schuldenbremse schließen will, heißt es aus den Ländern.

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Bundestagsfraktion steht loyal hinter Merz

Ob der Angriff auf Merz in puncto Schuldenbremse vor dem Parteitag oder erst hinterher geschieht – das macht für die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag keinen Unterschied. Wegner erntete heftige Kritik für seine Äußerungen. Dabei gibt es in der Unions-Fraktion keineswegs eine einheitliche Meinung zu diesem Thema. Einerseits will man sich nicht hergeben, um der Ampelkoalition zu helfen, ihre Etatstreitigkeiten zu bereinigen.

Andererseits sieht man die Probleme in den Bundesländern, wie Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg dem Tagesspiegel sagte: „Die Länder haben bei der Schuldenbremse eine besondere Problematik. Wenn besondere Situationen es erfordern, sind wir bereit, an außerordentlichen Lösungen mitzuwirken“, ergänzte der Haushaltsexperte und verwies auf die Zustimmung der Unionsfraktion beim Sondervermögen für die Bundeswehr. Andere Abgeordnete sehen es als „marktwirtschaftlichen Hochverrat“ an der Schuldenbremse zu rütteln.

Kommunen leiden unter Transformationskosten

Die deutschen Kommunen schreiben nach langer Zeit wieder rote Zahlen: Fast sieben Milliarden Euro betrug das Minus im Jahr 2023. Demnach müssten Oberbürgermeister große Anhänger einer Reform sein. Bund und Land übertragen immer mehr Aufgaben auf die Kommunen, ohne jedoch die damit verbunden finanziellen Lasten zu refinanzieren, sagen viele Stadtoberhäupter. Selbst finanzstarke Kommunen wie Düsseldorf kommen irgendwann an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Trotzdem spricht sich der Düsseldorfer Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) für eine Beibehaltung aus: „Die Schuldenbremse hat sich als ein bewährtes Mittel erwiesen, um die öffentlichen Finanzen generationengerecht zu gestalten.“

Die Schuldenbremse des Bundes hat sich als bewährtes Mittel erwiesen, um die öffentlichen Finanzen generationengerecht zu gestalten.

Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Stephan Keller zur Schuldenbremse.

Sein Parteikollege aus Stuttgart stimmt zu. „Die Schuldenbremse im Bund ist grundsätzlich im Sinne der Generationengerechtigkeit eine sinnvolle Maßnahme“, sagte Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper dem Tagesspiegel. Der Bund absolviere hier einen Spagat, so Nopper, „auf der einen Seite muss er Haushaltsdisziplin wahren, auf der anderen Seite darf er nicht zu stark zulasten der Kommunen auf die Haushaltsbremse treten, da diese zukünftig noch stärker auf Finanzzuwendungen des Bundes angewiesen sind.“

Frank Nopper (CDU) ist neuer Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart 2020

© Marijan Murat/dpa

In der Ruhrgebietsstadt Essen hat man jahrelange Erfahrung mit hoher Verschuldung und den Folgen für die Kommune. Trotzdem spricht sich das Stadtoberhaupt für die Schuldenbremse aus. „Jede Generation soll mit den Finanzressourcen haushalten und auskommen, die von ihr erwirtschaftet werden und ihr zur Verfügung stehen“, sagt Essens Bürgermeister Thomas Kufen dem Tagesspiegel. Der CDU-Oberbürgermeister findet, Zukunftsinvestitionen sollten im Rahmen der bestehenden Schuldenregeln durchgeführt werden.

Ganz klar ist die Linie der Christdemokraten also nicht bei der Schuldenbremse. Der Parteitag Anfang Mai würde noch einmal die Möglichkeit bieten, sich auszusprechen. In der Parteispitze gibt man sich trotz Wegners Angriffen tiefenentspannt. Kaum einer in der Parteizentrale rechnet offensichtlich damit, dass die Schuldenbremse beim Parteitag für Verstimmung sorgt oder überhaupt auf der Tagesordnung landet. Die Deutungshoheit liegt wohl im Adenauerhaus. Noch.

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