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Ein Ausstellungsstück eines Taurus KEPD 350 Marschflugkörpers ist im Showroom des Rüstungsunternehmens MBDA ausgestellt.

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Update

Marschflugkörper für die Ukraine?: Taurus-Hersteller klagt über langsame Vergabe von Rüstungsaufträgen

Das Waffensystem wird derzeit nicht hergestellt, da die Industrie ohne Aufträge keine Waffen bauen darf. Der Konzern MBDA will schnellere Entscheidungen. Derweil mischt sich Altpräsident Gauck in die Debatte ein.

| Update:

Seit Monaten verlangt die von Russland angegriffene Ukraine mehr westliche Waffen, um sich besser gegen die Truppen von Kremlchef Wladimir Putin verteidigen zu können. Ganz oben auf der Wunschliste der Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskyj stehen dabei deutsche Marschflugkörper vom Typ Taurus.

Bundeskanzler Olaf Scholz lehnte es bisher ab, Kiew das Waffensystem aus den Beständen der Bundeswehr zu liefern. Der SPD-Politiker begründet diese Entscheidung unter anderem damit, dass dies einer Kriegsbeteiligung Deutschlands gleichkäme.

Es reicht aus, dass es sich lohnt, Lieferketten aufrechtzuerhalten, Testgeräte auf modernstem Stand zu halten und die Kompetenz der Beschäftigten zu bewahren.

Thomas Gottschild, MBDA-Chef

Der Taurus-Hersteller MBDA fordert nun von der Politik schnellere Entscheidungen über Aufträge an die Rüstungsindustrie. „Hier können wir in Deutschland wesentlich besser und schneller werden“, sagte MBDA-Chef Thomas Gottschild der „Augsburger Allgemeinen“. „Das Gesetz verbietet uns eine Produktion auf Vorrat, hierzu ist eine Genehmigung der Bundesregierung, basierend auf Aufträgen, notwendig“, fuhr er fort. Diese seien in der Vergangenheit ausgeblieben.

„Die Rüstungsindustrie braucht in der Produktion eine Grundlast“, sagte Gottschild. „Es reicht aus, dass es sich lohnt, Lieferketten aufrechtzuerhalten, Testgeräte auf modernstem Stand zu halten und die Kompetenz der Beschäftigten zu bewahren.“

Für seinen Industriezweig sei es eine „Herausforderung“, wenn die Produktion wie beim Marschflugkörper Taurus unterbrochen sei, sagte Gottschild. „Denn unsere Zulieferer, die häufig kleine und mittelständische Unternehmen sind, haben in solchen Fällen ihre Produktion eingestellt. Sie können es sich finanziell oft nicht leisten, Produktionslinien aufrechtzuerhalten.“

Bei neuen Aufträgen müssten sich zunächst die Zulieferer wieder neu aufstellen, zudem müssten knappe Rohstoffe etwa für Sprengstoffe beschafft werden. MBDA könne die Produktion dann jederzeit neu anschieben. „Die Produktionslinie für den Taurus, die Testgeräte und die entsprechenden Hallen sind weiter vorhanden“, sagte Gottschild. Die Rüstungsindustrie brauche „langfristige Aufträge, um zukünftig auch kurzfristig Fähigkeiten bereitstellen zu können“.

Ob Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine geliefert werden könnten, liege jedoch allein in der Hand der Politik, sagte Gottschild. Dies sei eine politische Entscheidung der Bundesregierung, die er nicht kommentieren wolle. „Der Taurus wäre aber aus Sicht der Ukrainer in der aktuellen Situation ein wichtiger ergänzender Baustein.“

Gottschild weiter: „Der Taurus hat eine große Abstandswirkung, fliegt also mehr als 500 Kilometer weit. Dieses Fähigkeitsprofil wird gerade in der Ukraine stark nachgefragt, um entsprechend Logistikketten und strategische Ziele zu bekämpfen. Deshalb liegt derzeit der Fokus so stark auf diesem Thema.“ Derzeit gilt nur ein Viertel der rund 600 Taurus-Marschflugkörper der Bundeswehr als sofort einsatzbereit.

Ein fliegender Kampfjet Tornado IDS ASSTA 3.0, bestückt mit dem Lenkflugkörper Taurus, in Südafrika (Archivbild vom 28.03.2017).
Die von der Bundeswehr herausgegebene Aufnahme zeigt einen Kampfjet Tornado, bestückt mit dem Lenkflugkörper Taurus.

© dpa/Andrea Bienert

Die Ukraine setzt weiter auf eine Lieferung. „Wir sehen in Deutschland unterschiedliche interne Diskussionen auch über Taurus für die Ukraine. Das ist eine normale Diskussion, und ich denke, sie muss fortgesetzt werden“, sagte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak der „Bild“ am Osterwochenende. Es gehe um Langstreckenwaffen aus verschiedenen Staaten: „Einige Länder haben bereits beschlossen, sie an uns zu liefern. Und mit einigen Ländern dauert die Diskussion an.“

Eine Kriegsbeteiligung durch Taurus sehe ich nicht. Relevante Völkerrechtler und Militärexperten auch nicht.

Joachim Gauck, früherer Bundespräsident

Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, er hege die Hoffnung, dass Scholz sein Nein überdenke. „Eine Kriegsbeteiligung durch Taurus sehe ich nicht. Relevante Völkerrechtler und Militärexperten auch nicht.“ Es seien auch nicht alle in der Regierung oder in der SPD der Auffassung von Bundeskanzler Scholz. „Aber er hat nun einmal die Richtlinienkompetenz.“

Gauck warnte vor zu viel Angst im Umgang mit Russland. „Putin weiß, dass sich viele Deutsche schneller fürchten als etwa Polen und Franzosen. Und er nutzt diese Neigung aus. Die Furcht ist ein Helfer des Aggressors.“

Sein Appell sei, sich nicht zu früh zu fürchten, obwohl man standhalten könnte. „Eingeschränkt durch Angst kann man dann keine Lösungsmöglichkeiten mehr sehen.“

CDU-Chef Friedrich Merz hält eine Niederlage der Ukraine im russischen Angriffskrieg mehr als zwei Jahre nach Kriegsbeginn für zunehmend wahrscheinlich. „Die Gefahr, dass genau das geschieht, wird größer. Ich sehe die Entwicklung in der Ukraine mit wachsender Sorge“, sagte Merz der „Welt am Sonntag“.

Russland habe zwar seine Kriegsziele anders als erwartet bislang nicht erreicht. „Aber: Russland hat seine gesamte Volkswirtschaft mittlerweile auf Kriegswirtschaft umgestellt und produziert Waffen und Munition weit über dem gegenwärtigen Bedarf. Das heißt, Russland rüstet massiv auf, deutlich mehr, als im Krieg gegen die Ukraine verbraucht wird.“

Erneut hob Merz die Bedeutung einer möglichen Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern für die Ukraine hervor.

„Die Taurus-Marschflugkörper sind keine Wunderwaffe. Aber damit könnte die Ukraine die Nachschublinien für die russische Armee empfindlich treffen“, sagte der Oppositionsführer. Für die erfolgreiche Selbstverteidigung der Ukraine sei das von großer Bedeutung. (lem)

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