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Bleiben die Netze der Hering-Fischer bald fast leer?

© dpa/Jens Büttner

LNG-Terminal auf Rügen : Verzögerter Pipeline-Bau könnte Nachwuchs des Ostsee-Herings gefährden

Die Pipeline zum Rügener Flüssiggasterminal wird 2023 nicht mehr fertig werden. Doch Bauarbeiten zum Jahresbeginn würden den Hering beim Laichen stören, warnen Kritiker.

Vor diesem Szenario hat Fischereiexperte Christopher Zimmermann stets gewarnt. Die umstrittene Gaspipeline zwischen dem neuen LNG-Terminal auf Rügen und dem Festland wird in diesem Jahr – anders als geplant – nicht mehr fertiggestellt. Für den Hering hat das gravierende Folgen, befürchtet Zimmermann, Chef des Rostocker Thünen-Instituts. Die zusätzlichen Bauarbeiten im Greifswalder Bodden Anfang 2024 würden die Laichsaison der Tiere stören, erklärt er.

Am Mittwoch gab das Bergamt Stralsund bekannt, dass der Gasnetzbetreiber Gascade den Bau der 50 Kilometer langen Gasröhre vom Hafen Mukran nach Lubmin auch im Januar und Februar fortsetzen will. Entscheiden will die zuständige Behörde im Januar.

„Ich finde es ehrlich gesagt erschreckend“, sagt Zimmermann. Sein Institut habe gesagt, die Arbeiten sollten unbedingt zum 31. Dezember eingestellt werden. Bereits jetzt sammelten sich Heringe vor Rügen. Sie warteten darauf, in ihr Laichgebiet einzuwandern. Zimmermann hält zum Schutz des Herings eine Unterbrechung der Arbeiten bis Mitte Mai für nötig. Der Greifswalder Bodden gilt als eine der wichtigsten Kinderstuben für den Fisch in der westlichen Ostsee.

Die Grünen im Schweriner Landtag forderten das Bergamt Stralsund auf, den Antrag abzulehnen. Durch den engen Zeitplan habe stets ein hohes Risiko bestanden, „dass der Bau des LNG-Terminals und der Pipeline nicht vor Jahresende fertiggestellt werden kann“, sagt der energiepolitische Sprecher, Hannes Damm. „Die Befürchtungen, dass dem stark gefährdeten Ostsee-Hering während der anstehenden Laichzeit endgültig der Garaus gemacht wird, könnten deshalb sehr bald wahr werden.“

Unternehmen sieht keine Gefahr für den Hering

Gascade verteidigt sich gegen die Kritik. Das Unternehmen verweist auf eigene Umweltgutachten, wonach die Laichsaison der Heringe erst im März beginnt. In den ursprünglichen Genehmigungsverfahren seien der Januar und Februar nur vorsorglich einbezogen worden.

„Die Bauarbeiten haben sich wegen eines Sturms verzögert“, sagt eine Sprecherin dem Tagesspiegel. Die Verlegung der Pipeline werde jedoch bereits in der ersten Januarwoche abgeschlossen. Anschließend will das Unternehmen Riffe erneuern und den Meeresboden wiederherstellen. „Dabei wird kaum Sediment aufgewirbelt“, erklärt die Sprecherin. Auch die Störung der Tierwelt durch die Bauschiffe hält Gascade für minimal. Lediglich 0,1 Prozent des Greifswalder Boddens seien vom Schiffsverkehr betroffen.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert angesichts des verspäteten Pipeline-Baus erneut, das Flüssiggas-Terminal auf Rügen zu überdenken. „Das ganze LNG-Projekt auf Rügen ist hoffnungslos verspätet“, sagt DUH-Energieexperte Constantin Zerger dem Tagesspiegel. Das Terminal werde nicht wie angekündigt einen Beitrag zur Energiesicherheit in diesem Winter leisten. „Bevor jetzt einfach weitergemacht wird, müssen die Beteiligten endlich die Augen öffnen, die Sorgen der Menschen vor Ort ernst nehmen und Umweltprüfungen nachholen“, fordert Zerger.

Bereits im September stellten die Deutsche Umwelthilfe und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin eine Studie vor, der zufolge das Flüssiggas-Terminal für eine sicherere Energieversorgung von Ostdeutschland und Osteuropa nicht notwendig ist. Stattdessen sollten Fördergelder in Energiewende-Projekte fließen, fordert die DUH.

Christopher Zimmermann lehnt das Pipeline-Projekt nicht grundsätzlich ab. Er fordert von Gascade lediglich, die höheren Kosten bei einer Bauunterbrechung in Kauf zu nehmen. „Ansonsten ist der Fortbestand der küstennahen Ostseefischer gefährdet“, erklärt der Fischereiexperte dem Tagesspiegel.

Denn derzeit gibt es in dem Binnenmeer kaum Hering und Dorsch. Ob sich der Dorsch erholt, ist wegen des Klimawandels ungewiss. „Die Heringsbestände müssen dringend schnell wieder anwachsen, sonst können die Ostsee-Fischer nicht überleben“, sagt Zimmermann. Da man nicht wisse, wie Heringe auf Lärm und Dreck reagierten, hält der Forscher Bauarbeiten während der Laichzeit für viel zu riskant. (mit dpa)

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