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Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, spricht zu Vertretern der Organisation des American Jewish Committee (AJC). Der Minister trifft bei seiner Militärpolitischen Reise Amtskollegen, Diplomaten und Offiziere.

© dpa/Britta Pedersen

Keine Beschränkung durch Schuldenbremse: Pistorius will deutlich höhere Verteidigungsausgaben

In der Verfassung sind sowohl die Schuldenbremse als auch die Verteidigungsfähigkeit der Streitkräfte verankert. Mit diesem Argument fordert Pistorius mehr Geld. Lindner reagiert prompt.

Die Schuldenbremse darf nach Ansicht von Verteidigungsminister Boris Pistorius nicht die Ausgaben für die Verteidigung beschränken. Der SPD-Politiker forderte am Rande eines Besuchs in New York, Ausgaben für die Bundeswehr und auch für Teile der Krisenvorsorge von der Schuldenbremse auszunehmen. „Die Schuldbremse bliebe ja bestehen, aber die Ausgaben für Verteidigung und Zivilschutz würden nicht dort eingerechnet“, sagte Pistorius am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Sein Haus habe dazu ein Rechtsgutachten erstellt.

Finanzminister Christian Lindner reagierte umgehend. „Der Kollege Pistorius zeigt leider nur die Option auf, Sicherheit durch Schulden zu schaffen. Den Bürgern werden so immer mehr dauerhafte Zinslasten aufgehalst“, sagte der FDP-Chef der dpa. „Der bessere Weg ist, in unserem großen Staatshaushalt Geld umzuschichten und die Wirtschaft in Fahrt zu bringen.“

Im Jahr 2028 ist das sogenannte Sondervermögen für die Bundeswehr mit einem 100-Milliarden-Euro-Topf ausgegeben, aber schon für das nächste Jahr will Pistorius deutliche Erhöhungen im regulären Verteidigungsetat, weil sonst ein „Rüstungsstopp“ drohe. „Es wird keine einfache Antwort auf die Frage geben, woher das viele Geld kommen soll, was wir brauchen, die Lücke zu schließen“, sagte Pistorius, der seinen Bedarf bei Lindner angemeldet hat.

„Wir reden von 6,5 bis 7 Milliarden Euro Zusatzbedarf für das kommende Jahr. Der Mehrbedarf wird auch in den Jahren danach weiter aufwachsen, weil das Sondervermögen schon ab Ende dieses Jahres vertraglich gebunden und damit ausgeschöpft sein wird“, sagte Pistorius der dpa. „Wir müssen uns ehrlich machen: Ab 2028 wird eine nicht unbeträchtliche zweistellige Milliardenbetragserhöhung nötig sein.“

Pistorius beruft sich auf Verfassungsrang des Schutzanspruchs

Pistorius beruft sich in seiner Argumentation auf die Verfassung, in der sowohl die Schuldenbremse als auch die Verteidigungsfähigkeit der Streitkräfte verankert sind. Unterschiedliche Aufgaben aus der Verfassung dürften nicht gegeneinandergestellt werden, forderte der Minister.

„Wenn die Schuldenbremse Verfassungsrang hat, dann hat der Schutzanspruch der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Staat, sie zu schützen, erst recht Verfassungsrang“, sagte Pistorius. „Verteidigung ist Verfassungsauftrag. Dazu zählt die Aufstellung von Streitkräften zur Verteidigung. Damit hat es zunächst mal den gleichen Rang wie die Schuldenbremse. Man kann nicht sagen, dass dieser Sicherheitsanspruch als Grundrecht zurücktreten muss hinter die Schuldenbremse.“

Pistorius sprach von einer „verfassungsrechtlichen Konkordanz“. Dies bezeichnet eine Situation, bei der gleichrangige Verfassungsnormen miteinander kollidieren, die eine Norm aber nicht hinter die andere zurücktreten soll. Zur Generationengerechtigkeit gehöre es, wenige Schulden zu hinterlassen, aber auch die Weichen für ein sicheres Leben zu stellen. „Das Leben in Sicherheit ist eine essenzielle Grundlage für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung“, sagte Pistorius. Und: „Wir sollten unsere Sicherheit heute mit der gleichen Konsequenz wieder stärken, mit der wir jahrelang die Friedensdividende eingestrichen haben.“

Pistorius bekräftigt Pläne für höhere Verteidigungsausgaben

Angesichts des Ukraine-Kriegs hatte Pistorius zuvor den Willen Deutschlands zu höheren Militärausgaben bekräftigt. „Der Krieg ist zurück in Europa. Deswegen übernehmen wir unseren Anteil“, sagte Pistorius zum Auftakt seiner USA-Reise am Dienstag (Ortszeit) in einer Rede beim American Jewish Committee. Deutschland werde in diesem Jahr mehr als je zuvor in der Geschichte der Bundeswehr für Verteidigung ausgeben. Das Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels der NATO müsse aber nur der Anfang sein, fügte er hinzu.

Neben dem Ukraine-Krieg sei der Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober ein „furchtbarer Wendepunkt“ gewesen, der auch viele künftige Generationen beeinflussen werde, sagte Pistorius. „Dieses kollektive Trauma trifft nicht nur alle, die in Israel leben, sondern auch Juden in der ganzen Welt.“

„Ich bin davon überzeugt, dass wir mit Worten und Taten an der Seite Israels stehen müssen“, sagte der Minister. Israel habe das Recht, sich gegen Terrorismus zu verteidigen, „im Rahmen des internationalen Rechts, aber auch so gut wie es kann“, fügte er hinzu. Gleichzeitig gebe es eine gemeinsame Verantwortung und ein gemeinsames Interesse der internationalen Gemeinschaft und der Länder der Region, eine Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der Hamas zu verhindern.

Der Konflikt habe auch Auswirkungen auf die Situation in Deutschland, das eine „historische Verantwortung“ für den Schutz des jüdischen Lebens auf seinem Gebiet habe. Es sei „unerträglich“ für ihn, dass sich Juden 80 Jahre nach dem Holocaust nicht mehr sicher fühlten und ihre Zukunft in Europa infrage stellten, sagte Pistorius. Ein demokratischer Staat müsse Antisemitismus mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen.

Der Verteidigungsminister wird am Mittwoch in New York UN-Generalsekretär António Guterres treffen. In Washington soll er am Donnerstag unter anderem seinen Amtskollegen Lloyd Austin treffen, bevor er Freitag nach Kanada weiterreist. (AFP)

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