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Politik: Kein Opfergang (Kommentar)

Wenn Staatsmänner einer Botschaft auch bei der fünften Wiederholung Nachdruck verleihen wollen, müssen sie sie geschickt inszenieren - etwa mit historischer Symbolik. Beim Gipfel in Gnesen musste das Treffen Kaiser Ottos mit Boleslaw Chrobry vor tausend Jahren herhalten: Gnesen stehe für den Beginn der deutsch-polnischen Partnerschaft und sei gleichsam Vorläufer der Öffnung Westeuropas nach Osten - damals im Zeichen des römischen Christentums, heute unter dem blauen Sternenbanner der EU.

Wenn Staatsmänner einer Botschaft auch bei der fünften Wiederholung Nachdruck verleihen wollen, müssen sie sie geschickt inszenieren - etwa mit historischer Symbolik. Beim Gipfel in Gnesen musste das Treffen Kaiser Ottos mit Boleslaw Chrobry vor tausend Jahren herhalten: Gnesen stehe für den Beginn der deutsch-polnischen Partnerschaft und sei gleichsam Vorläufer der Öffnung Westeuropas nach Osten - damals im Zeichen des römischen Christentums, heute unter dem blauen Sternenbanner der EU. Das hat weniger mit der historischen Realität zu tun als dem Wunsch der Ungarn, Tschechen, Slowaken und Polen, sich erneut der deutschen Unterstützung für ihren EU-Beitritt zu versichern. Sie spüren, dass der Mut der Westeuropäer sinkt, je näher die Stunde der Wahrheit rückt. Sie sind beunruhigt durch den wachsenden Widerstand der Lobbys, die Nachteile befürchten. Merkwürdigerweise sind das in Ost und West oft die gleichen Gruppen: Bauern, Stahlarbeiter, Kohlekumpel samt ihren Gewerkschaften. Politisch gefährlich ist das nicht etwa, weil die Erweiterung EU-Mitgliedern und Kandidaten tatsächlich mehr Opfer abverlangt als Vorteile bringt. Sondern weil sich ein falsches Interessenverständnis eingeschliffen hat. Nachteile haben jeweils einzelne Gruppen zu befürchten, in der Gesamtbilanz überwiegt der Nutzen. Doch diesen Minderheiten gelingt es, ihre Einbußen als Bedrohung des nationalen Interesses darzustellen. Jene aber, die den Nutzen haben, schweigen vornehm, um nicht zur Kasse gebeten zu werden. So verbreitet sich der Eindruck, die EU-Erweiterung sei ein Opfergang. Dagegen hilft nur eins: dem Lobbyismus offen entgegenzutreten. 4-Prozent-Minderheiten wie die Bauern dürfen nicht bestimmen, was im deutschen Interesse liegt und was nicht.

cvm

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