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Politik: Islamdebatte entscheidet Wiener Wahl SPÖ muss sich Koalitionspartner suchen

Wiener Blut ist spätestens seit Johann Strauss weltberühmt – und in der roten Arbeiterstadt Wien soll es noch ein wenig roter sein als überall auf der Welt. Doch am Sonntag hat Wien einen blauen Fleck bekommen.

Wiener Blut ist spätestens seit Johann Strauss weltberühmt – und in der roten Arbeiterstadt Wien soll es noch ein wenig roter sein als überall auf der Welt. Doch am Sonntag hat Wien einen blauen Fleck bekommen. Blau ist die Farbe der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und die hat bei den Wahlen in der österreichischen Bundeshauptstadt 27 Prozent erreicht. Damit hat Heinz-Christian Strache als Spitzenkandidat der Rechtspartei das Rekordergebnis von Jörg Haider um nur einen Prozentpunkt verfehlt.

Kaum ein Wiener kann sich noch an Zeiten erinnern, als Sozialdemokraten in Wien nicht mit absoluter Mehrheit regiert haben. Seit 1945 stellt sie den Bürgermeister und nur einmal, 1996, verlor sie dabei für vier Jahre die absolute Mehrheit. Seit 1994 ist Michael Häupl von der SPÖ Bürgermeister – als Nachfolger des legendären Helmut Zilk von solchem Format, dass er auch am Sonntag wieder über 44 Prozent der Stimmen auf sich zog. Doch nun muss sich Häupl einen Partner suchen. Erstmals könnte es damit in Österreich überhaupt zu einer rot-grünen Koalition kommen. Doch den Wahlerfolg der FPÖ, die ihren Stimmanteil nahezu verdoppelte, kann Häupl nicht ignorieren.

Strache bot am Montag auch gleich ein Dreierbündnis der bisherigen Oppositionsparteien an. Aber das wollen ÖVP und Grüne ebenso wie die SPÖ ablehnen. So gibt sich Strache ausgegrenzt – was ihm weiteren Zuspruch sichern dürfte.

Erstaunlich wirkt nach dem Rechtsruck die Rückkehr zum politischen Alltag in Österreich: Denn offensichtlich hat der stark ausländerfeindliche und islamophob geprägte Wahlkampf einen enormen Anklang gefunden. Noch im Wahlkampf hatte Häupl seine Sozialdemokraten zum „Bollwerk“ gegen rechtspopulistische Provokateure deklariert und sich die „intellektuelle Qualität“ des verstorbenen Jörg Haider zurück gewünscht. Die konservative ÖVP hat sich mit 13,3 Prozent so stark dezimiert, dass sie in Wien nur noch dritte Kraft ist – ganz knapp vor den Grünen, die ebenfalls verloren haben.

Das Wiedererstarken der Rechten erstaunt umso mehr, als es nach der Abspaltung von Haiders Bündnis „Zukunft Österreich“ von der FPÖ zu Verwerfungen gekommen war. Beide Parteien waren in den vergangenen Jahren mehr mit sich selbst und miteinander beschäftigt als mit inhaltlichen Fragen. Doch Strache hat die europaweite Islam-Debatte genutzt. Dabei sind Arbeitslosigkeit, Überfremdung und Kriminalität in Wien und Österreich weit geringere Probleme als in den meisten Staaten Europas. Wien ist die europäische Metropole mit der geringsten Straßenkriminalität. Die meisten Migranten kommen aus den ehemaligen Ländern des Habsburgerreichs. Die größte Ausländergruppe bilden die Serben; auch bei denen hat Strache sein Wahlglück gesucht – und nach ersten Analysen auch gefunden.

Sonja Hasewend[Graz]

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