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Unterschriftenaktionen gehören zum politischen Alltag - auf europäischer Ebene gibt es seit drei Jahren das Instrument der Europäischen Bürgerinitiative.

© dpa

EU-Bürgerinitiativen: Hürden für Graswurzel-Demokratie

Seit drei Jahren können EU-Bürger mithilfe grenzüberschreitender Bürgerinitiativen die Brüsseler Politik mitbestimmen. Doch zahlreiche Initiativen scheitern an den hohen Hürden, stellte die EU-Kommission in einem Bericht fest.

Es ist ein hehres Ziel. Durch die Europäische Bürgerinitiative, mit deren Hilfe Europas Bürger seit dem 1. April 2012 ihrem politischen Willen Ausdruck geben können, soll die direkte Demokratie in der EU gestärkt werden. Die EU-Kommission formuliert es so: „Ein großer Vorteil dieses Instruments besteht darin, dass ähnlich denkende Menschen auf dem ganzen Kontinent zusammenfinden und dadurch europaweite Debatten über Themen, die den Bürgern am Herzen liegen, stimuliert werden.“
Der Satz stammt aus einem Bericht der Kommission von Ende März, in dem die Brüsseler Behörde eine Bilanz zur Wirksamkeit des seit drei Jahren existierenden Demokratie-Instruments zieht. Allerdings stehen in dem Bericht auch einige Dinge, die große Zweifel an der Machbarkeit europäischer Bürgerinitiativen aufkommen lassen. Die bisherige Erfahrung habe gezeigt, dass Organisatoren einer Europäischen Bürgerinitiative, „die eine Kampagne in allen Mitgliedstaaten der EU mit der gleichen Intensität führen wollen, vor einer großen Herausforderung stehen“, heißt es in dem Bericht. Wer mit einer Bürgerinitiative bei der Brüsseler Kommission durchdringen will, muss zunächst einmal eine Million Unterschriften sammeln – und zwar in mindestens sieben EU-Mitgliedstaaten.
So kommt es, dass von seit seit drei Jahren bei der EU-Kommission registrierten 31 EU-Bürgerinitiativen am Ende bislang nur drei bei der Brüsseler Behörde vorgelegt werden konnten, weil sie die nötigen Anforderungen erfüllten. Die Initiative „Right2Water“, die Liberalisierungen bei Wasserdienstleistungen verhindern will, erreichte immerhin, dass sich die Kommission „zu einer Reihe von Folgemaßnahmen“ verpflichtete, wie es in dem Bericht der Brüsseler Behörde heißt. Im Fall der Initiative „Einer von uns“, die einen Stopp der Stammzellenforschung zum Schutz menschlicher Embryonen zum Ziel hatte, lautete der Negativ-Bescheid der Kommission, dass ein entsprechender Gesetzesvorschlag nicht beabsichtigt sei. Die Anti-Tierversuchs-Initiative „Stop Vivisection“ wird derweil noch durch die Kommission überprüft und soll bis Anfang Juni eine Antwort erhalten.

Schon bei der Übersetzung gibt es oft Probleme

Wie die Kommission in ihrer vorläufigen Bilanz auflistet, gibt es eine ganze Reihe von Problemen, mit denen sich alle herumschlagen wollen, die basisdemokratisch die Brüsseler Politik in eine bestimmte Richtung lenken wollen. Das beginnt schon mit der Anforderung, dass die Initiativen in mehrere Sprachen übersetzt werden müssen. Rund ein Drittel der Übersetzungen musste von den Organisatoren vor der Veröffentlichung einmal oder mehrfach überarbeitet werden. Probleme bereitet vielen Initiativen auch das vergleichsweise kleine Zeitfenster, in dem sie ihre Unterschriftenkampagnen auf die Beine stellen müssen – innerhalb eines Jahres muss die Million Unterschriften beisammen sein. Allerdings wiesen laut dem Fazit der EU-Kommission Organisatoren darauf hin, dass die Frist zu knapp bemessen ist. Denn bevor sie mit dem Unterschriftensammeln beginnen können, müssen sie zeitaufwändig ein Online-Sammelsystem einrichten. Um Abhilfe zu schaffen, bot die Kommission an, die Online-Sammelsysteme der Initiativen auf ihren eigenen Servern zu hosten. Allerdings seien „mit der Software der Kommission nicht alle wunschlos glücklich“, heißt es im Bericht. Um das Verfahren zu vereinfachen, haben Unterstützer eine Europäischen Bürgeriniative die Möglichkeit, ihre Zustimmung mittels einer „fortgeschrittenen elektronischen Signatur“ zum Ausdruck zu bringen. Diese Möglichkeit wurde bisher anscheinend jedoch noch nicht in Anspruch genommen, resümiert die Kommission.

Grünen-Abgeordneter Sarrazin fordert mehr Einsatz von der Bundesregierung

Angesichts der zahlreichen Fallstricke wandte sich nun der europapolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Manuel Sarrazin, mit einer schriftlichen Anfrage an die Bundesregierung. Sarrazin wollte wissen, was die Bundesregierung tun wolle, um die Hürden für Europäische Bürgerinitiativen zu beseitigen. In der Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs im Innenministerium, Ole Schröder (CDU), heißt es unter anderem, dass sich Deutschland insbesondere auf technischer Ebene für Verbesserungen bei der EU-Bürgerinitiative eingesetzt habe. Schröder verweist dabei auf die Arbeit des Bundesverwaltungsamts und des Bundesamts für die Sicherheit in der Informationstechnik. Tatsächlich ist die Unterstützung beim Stimmensammeln im Online-Verfahren von entscheidender Bedeutung: Rund 55 Prozent der Unterstützungsbekundungen für die drei Initiativen „Right2Water“, „Einer von uns“ und „Stop Vivisection“ wurden im Internet gesammelt. Dem Grünen-Abgeordneten Sarrazin geht die Auskunft der Bundesregierung allerdings nicht weit genug. Die Bundesregierung solle „aktiv zur Problemlösung beitragen anstatt zur abzuwarten“, erklärte er. „Der Wille von EU-Bürgerinnen und Bürgern, im Brüsseler Politikbetrieb mitzumischen und grenzüberschreitende Debatten fördern zu wollen, darf nicht an zu hohen bürokratischen Hürden scheitern“, so Sarrazin.

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