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Politik: Höllenfahrt ins Land der Hoffnung

Spanien warnt in Afrika mit einer Fernsehkampagne vor der gefährlichen Flucht auf die Kanaren

„Tausende junge Leute sind tot. Riskiere nicht Dein Leben für nichts und wieder nichts. Du bist die Zukunft Afrikas.“ Mit diesen Worten appelliert der populäre senegalesische Sänger Youssou N’Dour im staatlichen Fernsehen seiner Heimat an die Landsleute, sich nicht auf die gefährliche Überfahrt zu machen. In dem Video sieht man N’Dour am Strand Senegals sitzen, einsam und traurig und auf einem jener Fischerboote, mit denen Schwarzafrikaner, in der Hoffnung auf ein besseres Leben Richtung Kanarische Inseln ablegen.

Der Spot im senegalesischen Fernsehen, der von Spaniens Regierung bezahlt wurde, zeigt dazu dramatische Bilder: Tote, die an die Küste gespült wurden. Zerschmetterte Holzboote, deren Trümmer von den Wellen auf die Felsen geworfen wurden. Weinende junge Afrikaner, die es zwar bis auf die Kanaren geschafft haben, aber auf der waghalsigen tagelangen Atlantiküberfahrt ihre Geschwister und ihre Freunde verloren haben. Verzweifelte Mütter in Senegal, die um ihre im Atlantik versunkenen Kinder trauern.

Noch immer treiben fast täglich Migrantenboote auf den Kanarischen Inseln an. Allein am Neujahrstag wurden 126 illegale Einwanderer vor Teneriffa, Lanzarote und Gran Canaria aufgegriffen, die dort mit drei Flüchtlingsbooten angekommen waren. Es kommen immer mehr Minderjährige, die nicht so einfach wie Erwachsene abgeschoben werden können. Sie sind in immer schlechterem Gesundheitszustand. Und die Helfer finden immer mehr Tote an Bord. Die Bootsflüchtlinge seien wie nie zuvor „hungrig, durstig und ausgekühlt“, – so bilanziert Austin Taylor, Rot-Kreuz- Sprecher auf Teneriffa, die sich zuspitzende Situation.

Zwar ging die Zahl der auf den Kanaren landenden Flüchtlinge im Jahr 2007 laut einer Statistik der spanischen Regierung auf unter 20 000 zurück; 2006 waren es noch 31 000. Doch das heißt nicht unbedingt, dass an der westafrikanischen Küste auch weniger losfahren. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex, die vor Westafrikas Küste patrouilliert, hat dem Vernehmen nach von Januar bis Dezember mehr als 8000 Flüchtlinge abgefangen und zurückgeschickt. Schätzungen zufolge ertrinken bis zu 50 Prozent jener afrikanischen Migranten, die in Mauretanien, Senegal oder Gambia in See stechen, irgendwo auf dem Weg nach Europa. Nur ein Bruchteil dieser Tragödien auf dem Meer dringt an die Öffentlichkeit.

Hilfsorganisationen beobachten, dass jene Menschenmafia, welche die Bootstransporte nach Europa organisiert, die Migranten immer öfter bewusst in den Tod schickt. Statt Benzin werde den Bootsinsassen, die für die Fahrt zwischen 500 und 1000 Euro hinblättern müssen, Wasser in die Kanister gefüllt. Auch Nahrungsmittel und Trinkwasser würden oft viel zu knapp bemessen. Auch die zunehmend engmaschigere Absicherung der europäischen Wassergrenzen durch die Frontex-Mission provoziert nach Ansicht der Hilfsorganisationen neue Gefahren.

„Je mehr Barrieren aufgebaut werden, um so größer wird das Risiko“ sagt Gerardo Mesa, Rot-Kreuz-Chef auf Fuerteventura. „Um den Kontrollen auszuweichen, müssen die Immigranten immer längere Reisen auf sich nehmen.“ Sie verlassen den Schutz der Küste, fahren aufs offene Meer hinaus. Wie der Senegalese Leidi Fall, der einen wackeligen Kahn mit gut 60 Insassen nach Teneriffa steuern wollte. Erst ging ihm das Benzin aus, dann das Essen. Als ihn Tage später ein Fischkutter sichtete, waren alle Insassen tot – nur der Steuermann überlebte. (mit AFP)

Ralph Schulze[Madrid]

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