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Politik: Gewalt beim G-8-Gipfel: Italienische Untersuchung, die Zweite

Zehn Tage nach den Übergriffen der italienischen Polizei gegen Globalisierungsgegner beim G-8-Gipfel in Genua hat der italienische Innenminister Claudio Scajola ein Misstrauensvotum im italienischen Senat überstanden. Bei der vorausgehenden Debatte warf ihm Massimo Villone von den Linksdemokraten vor, für die Übergriffe der Polizei verantwortlich zu sein.

Zehn Tage nach den Übergriffen der italienischen Polizei gegen Globalisierungsgegner beim G-8-Gipfel in Genua hat der italienische Innenminister Claudio Scajola ein Misstrauensvotum im italienischen Senat überstanden. Bei der vorausgehenden Debatte warf ihm Massimo Villone von den Linksdemokraten vor, für die Übergriffe der Polizei verantwortlich zu sein. "In jedem demokratischen Land hätten Ereignisse wie die von Genua zum sofortigen Rücktritt geführt", sagte Villone, "in unserem Land hat die Mehrheit stattdessen auf jede Art versucht, die Dinge stillschweigend abzutun." Von Seiten der Regierung warf Vize-Regierungschef Gianfranco Fini von der "Alleanza Nazionale" der Opposition vor, die Rücktrittsforderung nur als "politische Propagandawaffe" zu missbrauchen. Es sei nicht um die Aufklärung der Wahrheit gegangen, sondern nur darum, die Regierung in Schwierigkeiten zu bringen. Fini warf Teilen der Linken vor, mit den gewaltbereiten Demonstranten unter einer Decke zu stecken.

Regierung und Opposition hatten sich nach Tagen der politischen Grabenkämpfe darauf geeinigt, eine 36-köpfige Parlamentskommission mit der Aufklärung der Vorwürfe zu beauftragen. Diese wurde nun vom Senat einstimmig beschlossen und nimmt sofort ihre Arbeit auf. Ergebnisse werden Anfang September erwartet. Eine interne Untersuchung ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es in Genua zu groben Versäumnissen in der Führungsspitze der Polizei gekommen ist. So habe es etwa bei der Razzia in der "Diaz"-Schule niemanden gegeben, der den Einsatz geleitet und die überreagierenden Beamten in die Schranken hätte weisen können. Unterdessen hat Außenminister Joschka Fischer seinen italienischen Amtskollegen Renato Ruggiero nach Auskunft des Auswärtigen Amtes gebeten, die Einreiseverbote gegen die ausgewiesenen Deutschen zurückzunehmen, die entgegen früheren Meldungen weiter gültig sind.

In einem Gespräch mit dem Tagesspiegel wurde Fischer wegen seiner Kritik an den Globalisierungsgegnern vom grünen französischen Europaabgeordneten Daniel Cohn-Bendit angegriffen: "Es ist sicher schwierig für den Außenminister, die richtige Wortwahl zu treffen", sagt Cohn-Bendit. Man dürfe jedoch nicht den Eindruck vermitteln, dass die Proteste gegen eine "aus den Fugen geratene Globalisierung" nicht legitim seien. "Es wäre fatal, wenn die Demonstranten uns heute wahrnehmen, wie wir früher die Regierungen." In der Frankfurter Rundschau hatte Cohn-Bendit mit Bezug auf die eigene Protestbiographie Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) "Altersamnesie" vorgehalten, wenn dieser und andere nicht mehr wüssten, "dass es auch im Rechtsstaat eine Polizei geben kann, die sich verselbständigt". Künftig müsse man noch stärker auf die Kritik der Globalisierungsgegner eingehen. Insbesondere die deutschen Grünen hätten "die Bewegung links liegen gelassen".

Die Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele und Annelie Buntenbach haben am Mittwoch einen Bericht über ihre Reise durch italienische Gefängnisse und Krankenhäuser ins Internet gestellt (www.gruene-fraktion.de). Die dort zu Wort kommenden Opfer italienischer Polizeigewalt berichten einmütig davon, dass sie sich bei der Durchsuchung der "Diaz"-Schule sofort ergeben hätten und trotzdem geschlagen worden seien. Viele wurden schwer am Kopf verletzt. Andere gaben an, nach ihrer Verhaftung auf Polizeiwachen geschlagen, bespuckt oder beleidigt worden zu sein. "Keinem der von den Abgeordneten besuchten deutschen Gefangenen wird der Vorwurf gemacht, an einer konkreten Gewalttat selber beteiligt gewesen zu sein", heißt es im Bericht. Festnahmen und mehrtägige Kontaktsperren seien mit dem Fund von Gegenständen wie "Hämmer, Metallstangen, Messer" begründet worden, die in Autos, Wohnmobilen oder im Gepäck der Verhafteten gefunden wurden. Viele Gefangene gaben an, zur Unterschrift von Protokollen mit der Androhung von Gewalt gezwungen worden zu sein. Auch Rechtsbeistand sei ihnen verweigert worden, bei Haftprüfungsterminen habe es oft keine ausreichende anwaltliche Vertretung oder Übersetzung gegeben. Die Grünen-Politiker plädieren für eine unabhängige internationale Untersuchungskommission zur Aufklärung der Vorwürfe.

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