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Immer öfter stürmen Fußballfans den Platz oder zwingen durch das Abbrennen von bengalischen Feuern zur Unterbrechung des Spiels. Foto: Timur Emek/dadp

© dapd

Politik: Fußballclubs müssen mehr gegen Gewalt tun

Innenministerkonferenz verschärft den Ton gegenüber den Vereinen Bundesweites Rockerclubverbot unwahrscheinlich.

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Berlin - Irgendwann konnte sich selbst Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nicht mehr zügeln. Als sein niedersächsischer Amtskollege Uwe Schünemann (CDU) nach der Innenministerkonferenz in Göhren-Lebbin darauf verwies, dass es in englischen Fußballstadien schon lange keine Stehplätze mehr gebe, warf Friedrich nur schnippisch ein: „Die stehen trotzdem alle.“ Vom Stehplatzverbot als Allheilmittel gegen Gewalt bei Fußballspielen ist Friedrich wohl noch nicht überzeugt. Grundsätzlich aber sind sich die Innenminister von Bund und Ländern einig, dass es einer härteren Gangart bedarf, um das Gewaltproblem in den Griff zu bekommen. Oder wie es Schünemann ausdrückte: „Der Kuschelkurs muss vorbei sein.“

Die Ressortchefs verschärften ihren Ton gegenüber den Fußballverbänden. „Es ist viel versprochen, aber nur wenig gehalten worden“, sagte Schünemann. Noch vor Beginn der neuen Saison im Spätsommer soll es ein Spitzentreffen geben, um über weitere Sicherheitsmaßnahmen zu reden. Dazu soll auch ein Alkoholverbot in Zügen zu Fußballspielen gehören. Außerdem müssten die Verbände mehr Geld für Präventionsmaßnahmen ausgeben. Derzeit würden sie sich mit rund einem Drittel an den Kosten für 51 Fanprojekte in den oberen drei Ligen beteiligen, was etwa drei Millionen Euro ausmache. Dieser Anteil müsse laut IMK-Beschluss auf etwa zehn Millionen Euro erhöht werden. An Geld mangele es den Profiklubs nicht. Allein durch den Verkauf der Fernsehübertragungsrechte flössen mehr als 600 Millionen Euro zusätzlich in die Kassen. „Einen Teil sollten sie für mehr Sicherheit ihrer Fans ausgeben und dafür weniger für Ablösesummen“, forderte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD).

Die Politik verlangte vom Sport eine konsequentere Umsetzung bereits vereinbarter Ziele. Dazu gehörten eine Optimierung der Videotechnik, die bessere Qualifizierung der Ordnungskräfte, die Intensivierung von Einlasskontrollen sowie die härtere Durchsetzung von Stadionverboten. Auch die Personalisierung von Eintrittskarten müsse geprüft werden. Die IMK kündigte zudem an, bei einer möglichen Ausweitung der Polizeieinsätze die Kosten auf die Fußballvereine und -verbände umlegen zu wollen.

Zweiter Schwerpunkt der dreitägigen Innenministerkonferenz war der Umgang mit Rockerclubs in Deutschland. Bundesinnenminister Friedrich will ein bundesweites Verbot dieser Clubs prüfen lassen. Zunächst müssten die Ergebnisse der Razzien aus den vergangenen Tagen vorliegen, um zu sehen, ob auch bundesweite Strukturen der Rockerclubs erkennbar seien. „Sollte das der Fall sein, gibt es kein Ermessen mehr, sondern die Pflicht des Bundes, entsprechend auf Bundesebene Verbote auszusprechen“, sagte Friedrich. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) dämpfte aber die Erwartungen. „Ein bundesweites Verbot eines Rockervereins ist erst mal eine gute Idee, aber es bleibt offen, wie das juristisch durchzusetzen wäre. Die Sicherheitsbehörden müssten nachweisen, dass ein Rockerclub in ganz Deutschland, beispielsweise die Hells Angels, so stark vernetzt ist, dass die Aktivitäten einer Sektion in Bayern auch zumindest indirekt denen eines Berliner Vereins zuzurechnen wären. Das erscheint derzeit nicht umsetzbar“, sagte er dem Tagesspiegel. Einen Beschluss zu den Rockerclubs hat die IMK aber ohnehin nicht gefasst.

Ebenfalls zentrales Thema der Innenministerkonferenz war der Umgang mit Salafisten in Deutschland. Rund 1500 gewaltbereite Salafisten gibt es laut Jäger in Deutschland. Die Innenminister prüfen, ob den Salafisten mit Vereinsverboten, Ausweisungen oder Versammlungsverboten begegnet werden kann. Friedrich kündigte an, die „Demokratiefeindlichkeit“, die die Salafisten an den Tag legten, entschlossen zu bekämpfen. Zusammen mit den muslimischen Verbänden in Deutschland sollten Aussteigerprogramme entwickelt und junge Menschen gegenüber Anwerbeversuchen durch Salafisten immunisiert werden. Schünemann sagte, dass geprüft werden müsse, ob die Salafisten durch ihr „aggressives, kämpferisches Vorgehen“ das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verwirkten.

Auch ein mögliches neues NPD-Verbotsverfahren spielte am Rande der IMK eine Rolle. Der Vorschlag einiger Innenminister, bei der Prüfung zu einem möglichen NPD-Verbotsverfahren den ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, als Gutachter einzuschalten, wird erst einmal nicht weiter verfolgt, wie es aus IMK-Kreisen heißt. Der Widerstand gegen die Idee, für die sich unter anderem Schünemann eingesetzt hatte, war zu groß. Einige Minister befürchten, dass der Beschluss, Richter Papier eine Art Mitspracherecht zu geben, in der Öffentlichkeit bereits als Signal für den Ausstieg aus der Verbotsdebatte gewertet würde. Papier hatte sich kürzlich skeptisch zu den Aussichten eines zweiten Verfahrens geäußert.

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