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Die französischen Gesetzgeber wollen gegen die Verbreitung von "Fake News" über Plattformen wie Facebook vorgehen.

© Tobias Schwarz/AFP

Frankreich: Fake-News-Gesetz soll Desinformation bei der Europawahl verhindern

Die Debatte über den umstrittenen Gesetzentwurf gegen „Fake News“ in Frankreich wird fortgesetzt, aber das Gesetz wird nicht vor Juli verabschiedet werden. Derweil weigert sich Brüssel, dieses heikle Thema europaweit zu regeln. EurActiv Frankreich berichtet.

Die beiden französischen Gesetzestexte über „Fake News“, bei denen es um Manipulation von Informationen in Wahlkampfzeiten geht, sollen nun doch erst später die Nationalversammlung in Paris passieren. Die Gesetze wurden zwar in der vergangenen Woche in der Nationalversammlung diskutiert. Die Abgeordneten konnten die Prüfung der zahlreichen Änderungsanträge, die für das umstrittene Gesetz vorgelegt wurden, allerdings nicht abschließen.

Die Debatte wird nun voraussichtlich während einer außerordentlichen Parlamentssitzung der Nationalversammlung im Juli fortgesetzt. Das Hauptziel besteht darin, dass das Fake-News-Gesetz vor den Europawahlen 2019 in Kraft treten und dann gegen Desinformation angewendet werden kann.

„Wir müssen den Trend der Stimmenthaltung umkehren“, sagte der Berichterstatter für das Gesetz, Bruno Studer. Dieser Trend werde zusätzlich durch die massenhafte Verbreitung von Nachrichten, die die Wahlen untergraben sollen, angeheizt, erklärte er weiter. Die Gesetzesvorschläge sehen eine erweiterte Haftung von digitalen Plattformen (wie Facebook, Google oder Twitter) und Sendeanstalten vor, die für die Verbreitung von „gefälschten Nachrichten“ verantwortlich sind. Außerdem sollen die Sanktionsmöglichkeiten des französischen Rundfunkrates gestärkt werden, und es soll ein Mechanismus geschaffen werden, über den vor Gericht durchgesetzt werden könnte, dass die Übertragung und Verbreitung von Fake News während der Wahl- und Wahlkampfzeiten ausgesetzt wird.

Meinungsfreiheit ist eine Farce, wenn Information über die Fakten nicht gewährleistet ist und die Fakten selbst nicht Gegenstand der Debatte sind,“ betonte die Ministerin für Kultur und Kommunikation, Francoise Nyssen, mit Verweis auf die Publizistin Hannah Arendt.

Die Ministerin sagte weiter: „Die Manipulation von Informationen ist ein langsam wirkendes Gift, das unsere Glaubwürdigkeit zerstört und unserem demokratischen Leben schadet.“ Sie unterstütze daher die Gesetzesentwürfe der Regierung. Mit diesen werde es gelingen, ein Gleichgewicht zwischen der Bekämpfung von Propaganda und „Fake News“ einerseits und der Informationsfreiheit andererseits herzustellen.

Nyssen kritisierte auch die Rolle von Social-Media-Plattformen, die „sich nicht an die Regeln der Demokratie halten“. Das Geschäftsmodell dieser Unternehmen habe eine Rolle bei der Verbreitung falscher Informationen gespielt: „Sie verkaufen Likes und Follower an alle – sogar an diejenigen, die Fake News verbreiten.“

Zurückhaltung auf EU-Ebene

Die EU hat sich bisher zurückhaltend gezeigt und auf Empfehlungen zu diesem Thema beschränkt. Die EU-Kommission hat beispielsweise den Online-Plattformen bis Juli Zeit gegeben, um einen Verhaltenskodex zur Begrenzung der Desinformation über soziale Medien auszuarbeiten.

Obwohl sich die EU-Exekutive in ihrer Digital-Strategie recht kritisch gegenüber Online-Plattformen geriert, wurden keine verbindlichen legislativen Maßnahmen vorgeschlagen.

Die EU-Vorschläge für einen Verhaltenskodex zielen darauf ab, einen europäischen Rahmen zur Bekämpfung von Desinformation zu schaffen.

„Unsere Antwort (auf Fake News und Propaganda, Anm. der Red.) kann nicht an den Landesgrenzen Halt machen. Europa steht an vorderster Front eines hybriden Krieges, der von bestimmten Drittländern geführt wird und bei dem Desinformation zu einer Waffe der Massendestabilisierung geworden ist,“ erklärte auch der Berichterstatter des französischen Parlaments-Ausschusses für europäische Angelegenheiten Pieyre-Alexandre Anglade, der Mitglied der Regierungspartei „La République En Marche“ ist.

„Die Antwort kann nur auf europäischer Ebene gegeben werden,“ stimmte ihm die republikanische Abgeordnete Constance Le Grip zu. Ihrer Ansicht nach sind die von der französischen Regierung vorgelegten Texte allerdings „bestenfalls unwirksam und unanwendbar“.

Heftige Kritik an Frankreichs Fake-News-Gesetz

Neben Fragen nach dem tatsächlichen Nutzen eines nationalen Fake-News-Gesetzes und den Risiken für die Informationsfreiheit werden einige Bestimmungen des Textes von der Zivilgesellschaft als wenig wirksam angesehen. Besonders kritisiert wird die Möglichkeit, Unterlassungsklagen zu erheben. Laut dem EU Disinfo Lab, einer auf die Bekämpfung von Desinformation spezialisierten Nichtregierungsorganisation, „ist die Annahme, dass die Justiz in weniger als 48 Stunden in der Lage sein wird, wahr von falsch zu unterscheiden“, unrealistisch.

Die Organisation „Journalisten ohne Grenzen“ (RSF) kritisierte ebenfalls den Handlungsspielraum der Justiz. Die NGO befürchtet, dass die Definition von „Fake News“ durch die Gerichte „die Grundlogik der journalistischen Arbeit“ zunichte machen könnte, Für Constance Le Grip besteht daher die Gefahr, dass sich vom Gericht als „Fake News“ eingestufte Berichte „einige Tage später als wahr erweisen“.

Auch die Stärkung des Rundfunkregulierungsrates in Frankreich wird von vielen Beobachtern kritisch gesehen. Eine der wichtigsten Bestimmungen im Gesetz gibt dem Rat die Befugnis, einem Fernseh- oder Radiosender die Sendelizenz zu entziehen, wenn dieser von einer „ausländischen Macht“ kontrolliert wird oder „unter deren Einfluss“ steht. Gleiches wäre möglich, wenn der Sender „die grundlegenden Interessen Frankreichs gefährdet, insbesondere durch die Verbreitung falscher Informationen“.

Übersetzung: Tims Steins.

Erschienen bei EurActiv.

Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Cécile Barbière

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