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Politik: "Europaweite Regelung" - Die Staatssekretärin zur Einwanderungspolitik

Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD) ist parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium. Das Gespräch führte Andrea Dernebach.

Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD) ist parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium. Das Gespräch führte Andrea Dernebach.

Die UN schlagen die Verzehnfachung unserer derzeitigen Einwandererzahl vor, eine halbe Million. Sehen Sie die Lage ähnlich?

Diese Zahl ist ja nur eine Empfehlung. Sie nimmt natürlich nur Bezug auf die Bevölkerungsstatistik, auf den Rückgang der Einwohnerzahl der Bundesrepublik, und fragt nicht nach dem politischen und wirtschaftlichen Umfeld, zum Beispiel danach, wie es um die Akzeptanz von Einwanderern in der Bevölkerung steht, wie sich unser Arbeitsmarkt entwickeln, wie weit noch rationalisiert wird und wie groß der Bedarf an geringer qualifizierter Beschäftigung ist, um die es durch Migranten einen heftigeren Konkurrenzkampf geben würde.

Unser Sozialversicherungsssystem hängt aber tatsächlich davon ab, dass es genügend Erwerbstätige gibt, die es finanzieren. Können wir uns da die stark sinkenden Einwanderungszahlen der letzten fünf Jahre leisten?

Es ist gut, dass Zahlen wie die der UN veröffentlicht werden. Wir sollten sie zum Anlass nehmen, um europaweit oder vielleicht weltweit darüber nachzudenken, wie denn eine gezielte Einwanderungspolitik aussähe, die Rücksicht nimmt auf unsere Bevölkerungsentwicklung und unsere Sozialversicherungssysteme. Wirtschaftliche Gesichtspunkte - Überalterung der Gesellschaft und die Folgen für Arbeitsmarkt und Sozialversicherung - waren allerdings schon in den vergangenen Jahren immer Ausgangspunkt der Debatten um Zuwanderungsgesetze.

Werden Sie diese Debatte, die sie noch zu Oppositionszeiten beerdigt hatten, neu beginnen? Immerhin wuchs die Bevölkerung der Bundesrepublik durch Einwanderung noch bis Mitte der 90er Jahre um jährlich etwa 470 000 Menschen. Seither hat sie sich rasant reduziert und lag 1998 nur noch bei 47 000.

Wir haben zur Zeit eine sehr gemäßigte Zuwanderung, das ist richtig und für Deutschland etwas Neues. Ich würde trotzdem sagen: Im nationalen Alleingang und kurzfristig ist bei uns ein Zuwanderungsgesetz, das Zuwanderung regelrecht fördert, wenig sinnvoll. Denken Sie an unseren Arbeitsmarkt, denken Sie an die immer noch überdurchschnittliche Zahl arbeitsloser Ausländer hier, die hohe Zahl arbeitsloser ausländischer Jugendlicher. Wir müssen jetzt zunächst die Bedingungen derjenigen verbessern, die hier leben. Darüber hinaus sollten wir ohne großes Tempo eine ganz ruhige Debatte innerhalb der EU führen, die den Boden bereitet für eine europäische Zuwanderungsregelung in den nächsten Jahren. Das Thema ist keineswegs beerdigt, sondern nur als nationales Thema zurückgestellt. Wir sollten uns da Zeit lassen und Überzeugungsarbeit leisten dafür, dass eine gesamteuropäische Zuwanderungsregelung eines Tages sinnvoll wird.

Die Koalition macht öffentlich sehr wenig davon her, dass die Zuwanderung nach Deutschland so geschrumpft ist. Warum?

Das muss man auch nicht. Wir nennen die Zahlen ja. Der frühere Innenminister Kanther hat die Veröffentlichung von Zahlen immer mit dem Verweis versehen, sie seien noch zu hoch. Ich glaube aber, dass durch nüchternen Umgang damit Aufklärung besser funktioniert. Eine Kampagne wollen wir nicht.

Die UN sprechen von einer halben Million jährlich. Wie viele Einwanderer braucht Deutschland Ihrer Meinung nach?

Kurzfristig sehe ich keinen Bedarf. Deswegen haben wir ja die Debatte um Einwanderungsgesetze zurückgestellt, weil alle Empfehlungen darauf hinaus liefen, dass wir in den nächsten Jahren eine Quote gehabt hätten, die nahe bei Null gelegen hätte. Aber im Blick darauf, wie unsere Gesellschaft in fünfzig Jahren aussehen wird, müssen wir über Einwanderung weiter debattieren. Migration hat uns in der Vergangenheit per Saldo übrigens genutzt, materiell wie immateriell.

Die UN schlagen die Verzehnfachung unserer derzeit

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