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Sri Lanka: Ende des Kriegs, kein Friedensbeginn

Sri Lankas Regierung hat die Tamilenrebellen nach 26 Jahren besiegt. Die Regierung steht nun als Allererstes in der Pflicht, sich um jene 200 000 bis 300 000 Flüchtlinge zu kümmern, die traumatisiert, verwundet und krank in den letzten Wochen aus der Kampfzone entkamen.

Am Ende haben sie ihn doch gekriegt. Fast als Allerletzter im blutigen Finale, das nach 26 Jahren Sri Lankas Bürgerkrieg beendete, starb Velupillai Prabhakaran, der gefürchtete und blutrünstige Boss der Tamilen-Rebellen der LTTE. Erstmals seit 1983 ist die etwa bayerngroße Tropeninsel nun wieder ganz in der Hand der Regierung. Das Militär erklärte am Montag die Kämpfe für eingestellt und den Krieg offiziell für beendet.

Siegestrunken feierten Singhalesen in Colombo den Tod des verhassten LTTE- Chefs auf den Straßen und den Triumph über die LTTE. Erst mit dem Tod des 55-Jährigen gilt der Krieg, der über 75 000 Menschenleben kostete, wirklich als beendet. Prabhakaran war die LTTE: ihr Kopf, ihr Gründer, ihr unumstrittener Führer. Ohne ihre überdominante Leitfigur, so hofft man in Colombo, wird die LTTE langsam zerfasern und aussterben. Auch sein ältester Sohn Charles Anthony und weitere LTTE-Führer starben in der letzten Schlacht. Damit ist die komplette Führungsriege der LTTE ausgelöscht.

Angeblich wollte Prabhakaran in letzter Minute noch fliehen, feige versteckt in einem Krankenwagen. Das streute das Militär. Das kann wahr, aber auch eine Finte sein, um ihn als Verräter zu diskreditieren. Von seinen Kämpfern hatte er immer verlangt, lieber Selbstmord zu begehen als sich lebend fangen zu lassen.

Aus einer Jugendbande hatte Prabhakaran eine der brutalsten und erfolgreichsten Terrorgruppen der Welt geformt, deren Markenzeichen schon vor Al Qaida Selbstmordanschläge waren. Über die Jahre brachte die LTTE ein Drittel der Insel unter ihre Kontrolle – bis die Regierung des singhalesischen Hardliners Rajapakse einen Vernichtungskrieg startete und Meter für Meter zurückeroberte.

Der Tod des LTTE-Chefs versetzte auch Indien in Aufregung. Im Süden leben 60 Millionen indischer Tamilen. Dort könnten versprengte LTTE-Kämpfer untergetaucht sein. Indien hat die LTTE als Terrorgruppe eingestuft, die „schwarzen Tiger”, die Selbstmordkommandos der LTTE, sollen auch den früheren Premier Rajiv Gandhi auf dem Gewissen haben. Delhi soll Colombo unterstützt haben. Indiens Geheimdienst warnte daher vor Racheanschlägen der LTTE. Als mögliche Ziele gelten Regierungschef Manhoman Singh und die Familie Gandhi.

Die Tamilen müssen jetzt ihren Traum von einem eigenen Staat begraben. Zudem stehen sie in ihrer Heimat schutz- und wehrloser da als vor Beginn des Krieges. Ihr Schicksal liegt nun völlig in der Hand der singhalesischen Regierung. Dabei könnte Präsident Mahinda Rajapakse die Stunde des Triumphes dazu nutzen, Größe zu beweisen und den besiegten Tamilen die Hand zu reichen. Die Chance dazu hat er an diesem Dienstag während seiner Siegesrede. Nationale Aussöhnung wäre dringend notwendig: Nach 26 Jahren Krieg müssen beide Seiten den Frieden erst wieder lernen. Doch danach sieht es bisher nicht aus.

Die Regierung steht nun als Allererstes in der Pflicht, sich um jene 200 000 bis 300 000 Flüchtlinge zu kümmern, die traumatisiert, verwundet und krank in den letzten Wochen aus der Kampfzone entkamen. Die EU hat die Regierung am Montag aufgefordert, Helfer zu den Menschen zu lassen, die in Notcamps hausen, und eine unabhängige Untersuchung über Menschenrechtsverletzungen zuzulassen. Zudem könnte die Regierung jetzt ernst machen mit einer politischen Lösung. Die meisten Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, e zielen darauf, Sri Lanka föderaler zu machen und den Tamilen in ihren Hochburgen im Norden und Osten mehr Eigenständigkeit einzuräumen.

Doch bis auf Lippenbekenntnisse bietet Rajapakse bisher nichts. Es gibt sogar Anzeichen für eine Fortsetzung der tamilenfeindlichen Politik . Angeblich misshandeln Regierungssoldaten die Menschen in den Lagern und vergewaltigen Frauen. Rajapakse plant dem Vernehmen nach, die Tamilen noch einige Jahre lang wie Kriegsgefangene zu kasernieren.

Tut sie dies, würde die Regierung selbst dazu beitragen, dass der blutige Aufstand früher oder später wieder aufflammt. Die internationale Gemeinschaft hat allerdings Mittel, den Tamilen zu helfen. Sri Lanka ist nach dem teuren Krieg bankrott und braucht massive Hilfe. Die USA haben einen Milliardenkredit beim Internationalen Währungsfonds vorerst blockiert. Sie könnten ihr Ja daran knüpfen, dass Sri Lankas Regierung ihre Tamilenpolitik ändert. Dazu ist allerdings die Zusammenarbeit von Japan und China nötig, den beiden größten Geldgeber Sri Lankas, die bisher wenig Interesse am Los der Tamilen gezeigt haben.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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