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Wolfgang Schmidt als Zeuge beim Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der Hamburger Bürgerschaft zur Cum-Ex Steuergeldaffäre

© dpa/Ulrich Perrey

Exklusiv

Einflussnahme auf Medien?: Wie der Kanzleramtschef zu „Cum Ex“ Meinung macht

Wolfgang Schmidt sieht es offenbar als Privatsache an, Olaf Scholz in der Affäre vor öffentlicher Kritik zu bewahren. Dabei geht er weit - zu weit?

In der Debatte um mögliche Verstrickungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in die Cum-Ex-Steueraffäre der Hamburger Warburg-Bank soll Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) abseits der Öffentlichkeit versucht haben, mit als vertraulich deklarierten Stellungnahmen Einfluss auf Medienberichte zu nehmen.

Nach Informationen des Tagesspiegels soll Schmidt sich zu diesem Zweck auch an den Norddeutschen Rundfunk (NDR) in Hamburg gewandt haben. Offiziell lehnt das Kanzleramt Auskünfte zu Cum-Ex ab, angeblich mangels Zuständigkeit. Zudem wirft der Investigativjournalist Oliver Schröm dem Kanzleramtschef vor, ihn bei dessen verdeckter Pressearbeit zu diffamieren. Schröm ist für mehrere Enthüllungen in der Affäre verantwortlich und hatte zuletzt für den „Stern“ berichtet.

Der Austausch mit Journalistinnen und Journalisten gehört zu meinem Geschäft.

Wolfgang Schmidt, Chef des Bundeskanzleramts

Weder das Kanzleramt noch Schmidt persönlich oder der NDR wollten auf Tagesspiegel-Anfragen zu den Vorgängen Auskünfte erteilen. Auch bei seinem Auftritt als Zeuge beim Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft zur Cum-Ex-Affäre am vergangenen Freitag verweigerte Schmidt Angaben dazu. „Der Austausch mit Journalistinnen und Journalisten gehört zu meinem Geschäft“, erklärte Schmidt zwar, und er „bemühe“ sich, dies offen zu machen. Antworten auf konkrete Fragen zu seinen Kontakten wollte er dennoch nicht geben. Dies gehöre nicht zum Untersuchungsgegenstand.

Auskünfte verweigert der Minister - dafür wirft er den Medien „Falschbehauptungen“ vor

Zuvor hatte der Kanzleramtschef allerdings angebliche „Falschbehauptungen“ in den Medien beklagt und dass in der Debatte „Waffenungleichheit“ herrsche: Wegen des Steuergeheimnisses habe keine Möglichkeit bestanden, Fakten zu schildern und den in den Medien erhobenen Vorwürfen etwas entgegenzusetzen.

Der Journalist Oliver Schröm erklärte, er werde „aus dem Kanzleramt“ diffamiert – und zwar von Schmidt.

Schmidt gilt als enger Vertrauter des Kanzlers und hat als „Spindoktor“ schon im Wahlkampf versucht, Vorwürfe gegen Scholz als haltlos darzustellen, der damals noch als Bundesfinanzminister amtierte. Setzt Schmidt dies nun im Kanzleramt fort, gerade mit Blick auf die Resonanz für die Recherchen des Journalisten Schröm? „Stern“-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz erklärte in der ZDF-Sendung „Lanz“, es gäbe „aus dem Umfeld“ von Scholz Diskreditierungen gegen den Journalisten, der im Oktober ein Buch über Scholz‘ angebliches Zutun in der Affäre vorstellen will und diesen öffentlich bereits als „Lügner“ bezeichnet hat.

Ob der „Stern“-Chef mit seiner Bemerkung Wolfgang Schmidt gemeint hat, wollte er auf Nachfrage nicht sagen. Schröm selbst wurde gegenüber dem Medium „The Pioneer“ deutlicher und erklärte, er werde „aus dem Kanzleramt“ diffamiert – und zwar von Schmidt. Auf Anfrage erklärte Schröm, ihm liegen E-Mails von Schmidt vor, in denen dieser gegenüber Dritten Unwahrheiten über ihn verbreite.

Enthüllungen zur Hamburger Warburg-Bank setzen Scholz wieder stärker unter Druck

Ein Jahr nach der für ihn gewonnenen Bundestagswahl setzen die Vorgänge um die Hamburger Warburg-Bank Scholz derzeit wieder stärker unter Druck. Enthüllungen über Tagebucheinträge, Kalendernotizen sowie eine Parteispende für die SPD nähren den Verdacht, Scholz könne als Hamburger Bürgermeister die Finanzbehörde dazu angeregt oder bewegt haben, auf eine Millionen-Steuerrückforderung wegen der kriminellen Aktiengeschäft zu verzichten. Scholz bestreitet das. Beweise gibt es bisher keine, Zeugen auch nicht. Der Kanzler betont, weder liege etwas gegen ihn vor noch laufe ein Verfahren gegen ihn.

Die Verbindungen des NDR in die Politik sind derzeit ein Thema. Hier ein Bild vom Landesfunkhaus Schleswig-Holstein.

© dpa / Marcus Brandt

Besonders fragwürdig wäre Schmidts heimliches Vorgehen angesichts der laufenden Diskussionen um politische Einflussnahme bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Dennoch will der Hamburger Sender auf Anfrage nichts zur Aufklärung beitragen. Dabei sind Rundfunkmedien als Anstalten öffentlichen Rechts transparenzpflichtig – der NDR etwa nach dem Hamburger Transparenzgesetz. Der Sender beruft sich indes darauf, über Recherchen „gemäß den anerkannten journalistischen Berufsregeln“ keine Auskunft zu erteilen.

Um Recherchen von Presse und Rundfunk geht es nicht, sondern um die Öffentlichkeitsarbeit eines Regierungsmitglieds

Um solche von der Presse- und Rundfunkfreiheit geschützte Recherchen geht es bei der Tagesspiegel-Anfrage allerdings nicht – diese sind auch nach dem Hamburger Transparenzgesetz geschützt – , sondern um mögliche aktive Versuche eines Regierungsmitglieds, mit eigenen Darlegungen und amtlichen Kenntnissen zu einer politischen Affäre auf Darstellungen in den Medien Einfluss zu gewinnen – und dies von außen unbemerkt. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2019 sind derartige Formen der Informationserteilung als amtliche Öffentlichkeitsarbeit zu werten, nicht als Ergebnisse journalistischer Recherche.

Dennoch will sich auch das Bundeskanzleramt nicht zum möglichen Vorgehen seines Leiters äußern. Es gehe hier um „Vorgänge im Zusammenhang mit einem Steuerverfahren der Hamburger Finanzverwaltung“, heißt es aus der Regierungszentrale. „Dienstliche Äußerungen“ Schmidts seien dazu „nicht bekannt“. Man äußere sich auch „nur zu Vorgängen innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Bundeskanzleramts“.

Schmidt betrachtet sein Handeln offenbar als Privatsache, bei der er freie Hand hat

Der Kanzleramtschef selbst ist es, der diese Stellungnahme zu verantworten hat. Viel spricht deshalb dafür, dass Schmidt sein Einwirken auf Medien zugunsten des Bundeskanzlers gar nicht als dienstliche Tätigkeit betrachtet, sondern als eine Art Privatsache, bei der er freie Hand und niemandem gegenüber Rechenschaft abzulegen hat. Dazu passt, dass Schmidt für seine „Spindoktor“-Tätigkeiten vielfältige persönliche Kontakte zu Entscheidungsträgern in Medien nutzt, wie in der Branche bekannt ist. Mit vielen soll er „per Du“ sein.

Ein professionelles Duzen allein ist noch kein ausreichender Beleg für eine voreingenommene Berichterstattung.

Eine Sprecherin des NDR

War es so auch beim NDR, der mehrfach durchaus kritisch, auch unter Mitwirkung des Journalisten Schröm, über Scholz und Cum-Ex berichtete? Ein „professionelles Duzen“ allein sei noch kein ausreichender Beleg für eine voreingenommene Berichterstattung, hieß es dazu. Freundschaften oder nähere Bekanntschaften zwischen leitenden NDR-Mitarbeitern und Schmidt seien dem Sender nicht bekannt – jedenfalls keine, schränkt der NDR ein, „die einen Einfluss auf die Berichterstattung haben“.

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