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Politik: Die Koalition hat Glück gehabt - was hinter der Energiesteuer-Debatte steckt (Leitartikel)

Energie ist ein sensibles Gut. Weil sie der Lebensnerv der fortschrittlichen Industrie- und Technologie-Gesellschaft ist.

Von Antje Sirleschtov

Energie ist ein sensibles Gut. Weil sie der Lebensnerv der fortschrittlichen Industrie- und Technologie-Gesellschaft ist. Weil der Verbrauch von Energie - in welcher Form auch immer - zu den wichtigsten Rechnungen von Unternehmen und Privathaushalten zählt, reagieren die Betroffenen sehr empfindlich auf alle Veränderungen und auf jeden staatlichen Eingriff in den Markt. Wenn hier staatliche Lenkungsmechanismen eingesetzt werden, muss ihre Tragweite sorgfältig bedacht sein. Die Regierung kann sich zwar über ihren Umgang mit Energie definieren. Wenn sie aber selbst zum Spieler im Markt wird, verliert sie ihre Glaubwürdigkeit.

Der rot-grünen Bundesregierung ist es in den vergangenen Monaten gelungen, ein lange verspürtes gesellschaftliches Grundgefühl der Deutschen in politische Bahnen zu lenken: Energie ist knapp. Mit Energie muss sorgsam umgegangen werden. Wer Energie verschleudert, soll dafür bezahlen. Mit der Öko-Steuer den Energieverbrauch teurer zu machen und im Gegenzug den Einsatz menschlicher Arbeit zu belohnen, war und ist eine konsensfähige Entscheidung. Dass die Deutschen diese Steuererhöhung vergleichsweise klaglos hingenommen haben, ist allerdings nicht allein mit der gewachsenen Sensibilität der Gesellschaft gegenüber den Faktoren Energie und Arbeit zu begründen. Akzeptanz liegt auch in ihrer energiepolitischen Gerechtigkeit. Den Häuslebauer in Hannover, der sein Domizil mit Atomstrom heizt, belastet die indirekte Steuer genauso wie den Fahrer eines Dieselfahrzeugs.

Noch dazu hat die Koalition Glück gehabt. Die Öko-Steuer hat bisher nicht zu Belastungen geführt, die die Verbraucher nicht zu tragen bereit waren. Von Inflationsängsten ist Deutschland weit entfernt. Mit der Energiesteuer traf die Bundesregierung Anfang April - zumindest beim Strom - in einen Markt, der sich am Anfang einer tiefgreifenden Deregulierung befindet. Quasi über Nacht hat der Wettbewerb unter Stromversorgung eingesetzt - die Preise für Strom purzeln kräftig. Selbst kleine Unternehmen werden schon am Ende dieses Jahres 100 000 Mark weniger für ihren Stromverbrauch bezahlen - ohne dass sie auch nur eine Kilowattstunde gespart haben. Auch den Familien steht eine Kostensenkung ins Haus, die die Weihnachtskasse spürbar entlasten wird. Was macht es da schon, dass der Fiskus einen Teil der unerwarteten Wohltat wieder abzweigt. Zumal ja die Hoffnung besteht, dass die Öko-Steuer den festgefahrenen Arbeitsmarkt wieder ankurbeln wird.

Doch der rasante Wettbewerb unter den Stromkonzernen bringt nicht nur Licht in das jahrzehntelang gehütete Geheimnis der wahren Strompreise. Auch die Bundesregierung zwingt der Markt zu - unerwarteten - Bekenntnissen: Der Wettbewerb um Elektrizitätskunden wird schon sehr bald offenbaren, welchen Preis die Stromerzeugung aus den verschiedenen Ressourcen wirklich hat. Die Produzenten von Atomstrom in Frankreich fiebern bereits dem Augenblick entgegen, da sie die Möglichkeit haben, ihr Gut konkurrenzlos preiswert nach Deutschland einzuspeisen. Und die Freunde der ökologischen Stromerzeugung wissen sehr genau, dass sie in kurzer Zeit nur noch winderzeugten Strom vom Küstenstreifen kostendeckend verkaufen können. Wenn Strom aus Paris für drei Pfennige pro Kilowattstunde zu haben ist, wird es für Solarstrom, der 1,70 Mark kostet, finster aussehen.

Schlimme Zeiten für Ideologen im rot-grünen Regierungslager. Will sich Gerhard Schröder dem Vorwurf entziehen, die Öko-Steuer sei nicht mehr als ein fiskalischer Schachzug gewesen und arbeitsmarkt- wie energiepolitisch vollkommen unmotiviert, muss er den Wettbewerb der Stromressourcen zulassen. Indirekte Steuern müssen gerecht bleiben und dürfen einzelne Energiearten nicht bevorzugen. Beugt er sich dem grünen Koalitionspartner und belegt einzelne Energiearten - wie jetzt etwa den Dieselkraftstoff - neben der Ökosteuer mit zusätzlichen Lasten, verzerrt der Kanzler nicht nur den Wettbewerb. Er verspielt auch die Akzeptanz des gesamten Ökosteuer-Reformprojektes. Denn das werden die Deutschen mit tragen. Den ökologisch verbrämten Griff des Staates in ihr Portemonnaie nicht.

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