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Kanzler Olaf Scholz mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Mitte) und Finanzminister Christian Lindner (links)

© dpa/Michael Kappeler

Die Ampel und der Haushalt 2025: Wo ist bloß der Streit geblieben?

Im Gegensatz zum Vorjahr geht die Koalition recht diszipliniert an den nächsten Etat heran. Ist die Lage also gut – oder schlechter als gedacht? Ein Zahlen-Check.

Die Verhandlungen für den Bundeshaushalt 2025 laufen. Verglichen mit dem Vorjahr, als die Ampelkoalition offen und schonungslos miteinander im Streit lag, ist derzeit wenig zu hören aus der Bundesregierung. Nur Christian Lindner liefert im Zweitagestakt Stoff für Schlagzeilen.

Mal fordert der Bundesfinanzminister Einschnitte im Sozialen, dann Steuerentlastungen für alle, dann den Abbau des Solidaritätszuschlags, den nur noch Gutverdiener, Anleger und Unternehmen zahlen. Ende April ist FDP-Parteitag, im Juni wird das Europäische Parlament gewählt – die Stimme des Finanzministers soll vernehmlich erklingen.

Lindners verbales Powerplay ist natürlich auch potenziell haushaltswirksam. Alles, was er und die FDP sich wünschen, muss irgendwann in Zahlen dargestellt werden. Und könnte dann zulasten von Wünschen der SPD und der Grünen gehen. Aber vorerst gibt es keinen lauten Krach. Was auch daran liegt, dass sich Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Lindner vorab das Signal gaben, nach außen geschlossener zu wirken.

452
Milliarden Euro soll der Etat 2025 ausmachen.

Der Finanzminister hat den Kollegen die Finanzplanungszahlen aus dem vorigen Jahr als Ausgabenobergrenze vorgelegt. Das tat er, weil sich die Koalition dagegen entschieden hat, die Etatplanung auf aktualisierten Eckwerten auf Basis der neuen Wirtschaftsdaten aufzubauen. Das Verfahren war jahrelang üblich, inklusive Kabinettsbeschluss, wurde im Vorjahr aber aufgegeben und nun nicht wiederbelebt. Bis 19. April sollen die Ressorts mitteilen, wie sie die Vorgaben erreichen wollen.

Im Vergleich zum Etat für 2024 wären damit teils deutliche Einsparungen notwendig. Für 2025 hat die Finanzplanung (sie stammt aus dem vorigen Sommer) Ausgaben in Höhe von knapp 452 Milliarden Euro vorgesehen. Der im Februar verspätet beschlossene Etat für 2024 hat ein Ausgabenvolumen von etwa 477 Milliarden Euro. So gesehen klafft also ein Loch von 25 Milliarden Euro in der Planung.

Aber der Finanzplan für 2025 ist vom Kabinett beschlossen worden. Die 452 Milliarden Euro sind damit offizielle Regierungslinie – und ohne Eckwerte die einzige Basis, auf der der Finanzminister die Etatgespräche starten konnte. Die Ampel hat sich früh vorgenommen, die in der Pandemie und wegen des Ukraine-Kriegs zwischen 2020 und 2024 massiv ausgeweiteten Ausgaben des Bundes wieder auf den alten Pfad zurückzuführen, der bis 2019 galt. Und der Finanzplan für 2025 geht in diese Richtung.

Zurück zum alten Pfad

Auch 2024 hätte dieser Pfad schon beschritten werden sollen. Im Regierungsentwurf vom vorigen Sommer hatte das Kabinett für dieses Jahr noch Ausgaben in Höhe von 445,7 Milliarden Euro beschlossen. Am Ende aber wuchs der nach dem Karlsruher Schuldenbremsen-Urteil erst im Februar beschlossene Etat um gut 30 Milliarden Euro.

Und damit schuf sich die Ampel ein Problem. Denn um diesen Aufwuchs zu finanzieren, wurde die Rücklage im Etat, die in den Überschussjahren nach 2014 angelegt worden war, vollständig verbraucht. Lindner stellte den verbliebenen Rest von gut zehn Milliarden Euro auf einen Schlag in den Etatplan ein statt der ursprünglich vorgesehenen einen Milliarde. Das Geld fehlt nun für 2025.

Schuldenbremse erlaubte mehr Kredite

Außerdem konnte die Koalition im Rahmen der Schuldenbremse wegen der schlechten Konjunktur deutlich mehr neue Kredite aufnehmen als zur Jahresmitte noch gedacht. Am Ende waren es 39 Milliarden Euro neue Schulden statt gut 16. So war der Etat 2024 ein Ausreißer nach oben in der Finanzplanung.

Und daher wirkt die Rückkehr zum Pfad nun wie ein massiver Einbruch. „Lindner verdonnert Kabinett zum Knallhart-Sparkurs“, titelte kürzlich „Bild“. Von „strikten Sparvorgaben“ für die Ministerien war beim „Spiegel“ die Rede. Schaut man genauer hin, ist das Bild etwas komplexer. Denn tatsächlich ist das angebliche Spardiktat gar nicht so brutal.

Einmaleffekt verdeckt, dass Verkehrsminister Volker Wissings Etat nicht unter die Räder kommt.
Einmaleffekt verdeckt, dass Verkehrsminister Volker Wissings Etat nicht unter die Räder kommt.

© dpa/Hannes P Albert

Beim größten „Sparopfer“, Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP, steht zwar ein fettes Minus von 5,19 Milliarden Euro an. Aber das geht zum großen Teil auf ein Buchungsmanöver zurück, weil Mittel zur Eigenkapitalerhöhung der Bahn vom Klima- und Transformationsfonds (KTF) in den Verkehrsetat transferiert worden waren.

2023 hatte Wissing noch einen Etat von 35,6 Milliarden Euro, für 2024 standen dann plötzlich 44,1 Milliarden drin. Nun kann er mit 38,9 Milliarden Euro rechnen – er hat also dreieinhalb Milliarden Euro mehr zur Verfügung als im Vorjahr und gehört damit zu den Gewinnern.

Einige Ministerien mit Plus

In der Kategorie finden sich auch Hubertus Heil (SPD), dessen Sozialetat um fast drei Milliarden wachsen könnte – weil viele Sozialausgaben gesetzlich garantiert sind und die Zuwächse auch. Mehr ausgeben darf auch Wohnungsbauministerin Klara Geywitz (SPD).

Außerdem geht Lindner davon aus, dass sich die Zinslasten um 1,6 Milliarden Euro erhöhen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) können in etwa mit dem Volumen aus diesem Jahr planen.

Recht drastisch fällt das Minus bei Außenministerin Annalena Baerbock mit 1,4 Milliarden aus, immerhin etwa 20 Prozent weniger als 2024. Doch dürften die Grünen das im parlamentarischen Verfahren wie im Vorjahr wieder nach oben korrigieren. Auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) muss mit deutlich weniger auskommen, auf der Minus-Liste stehen auch die Ministerien für Bildung und Forschung, Gesundheit, Familien, Entwicklung, Wirtschaft, Finanzen, Ernährung sowie das Kanzleramt.

Überschaubare Sparvorgabe

Insgesamt ist die Sparvorgabe allerdings recht überschaubar. Lässt man den Wissing-Etat weg, sind es im Saldo 2,3 Milliarden Euro, welche die Ministerien insgesamt weniger haben. 5,3 Milliarden machen die Mehrausgaben aus, 7,6 Milliarden stehen in der Streichliste.

Allerdings besteht eine Unklarheit: Ohne aktuelle Eckwerte fehlt in der Gesamtsumme von 452 Milliarden Euro einiges, was seit dem Vorjahr beschlossen worden ist. Ein Beispiel: Mehr als eine Milliarde Euro hat die Koalition den Ländern zur Unterbringung von Flüchtlingen zugesagt.

Und woher kommt nun die Differenz von 25 Milliarden Euro zwischen Etat 2024 und Planung 2025? Also das große Loch? Es tut sich in dem großen Topf auf, der sich „Allgemeine Finanzverwaltung“ nennt und den Einzelplan 60 des Etats umfasst.

Dort werden Ausgaben verbucht, die ressortübergreifend sind oder aus besonderen Anlässen entstehen. Wie Pandemie und Ukraine-Krieg. Vor allem deswegen hatte dieser Einzelplan 2022 noch ein Volumen von 57 Milliarden Euro gehabt, schrumpfte aber 2023 auf knapp 29 Milliarden. 2024 aber wuchs er wieder deutlich auf fast 39 Milliarden Euro.

Sonderausgabe für Renten-Stütze

Wie kam das? Zum einen hatte das mit Ukraine-Hilfen zu tun. Vor allem aber wurden dort die 12,5 Milliarden Euro bereitgestellt, mit dem das Generationenkapital begründet wurde – also den Kapitalstock zur Stützung der Rente in künftigen Jahren, den die FDP als Ersatz für ihre Aktienrente bekam. Möglicherweise ist die nächste Einzahlung noch nicht im Plan für 2025 vorgesehen, was dann schon die Hälfte des Lochs erklären würde.

Allerdings ist die Finanzierung des Generationenkapitals recht unproblematisch: Weil es als Darlehen gebucht wird, können dafür neue Kredite ohne Anrechnung auf die Schuldenbremse aufgenommen werden. Dieses Manöver geht also nicht zulasten irgendwelcher anderer Ausgaben.

Das große Fragezeichen steht ohnehin nicht auf der Ausgabenseite, sondern hinter den Steuereinnahmen. In der Finanzplanung aus dem vorigen Sommer stehen knapp 395 Milliarden Euro. Bricht diese Annahme nun in sich zusammen, weil die Wachstumsprognose kürzlich deutlich gesenkt wurde? Das ist nicht auszuschließen. Andererseits ergab die Steuerschätzung im vorigen Oktober schon eine Summe von 400 Milliarden Euro für den Bund.

Je weiter die neue Steuerschätzung im Mai davon nach unten abweicht, desto angespannter werden die weiteren Etatgespräche werden. Allerdings stellt Lindner derzeit auch Steuerentlastungen in Aussicht. Tut er das, weil er die Steuerentwicklung positiver einschätzt? In den ersten beiden Monaten des Jahres nahm der Bund immerhin neun Prozent mehr Steuern ein als im Vorjahr.

Andererseits wird es die maue Konjunktur der Ampel auch in diesem Jahr erlauben, die Neuverschuldung im Rahmen der Schuldenbremse zu erhöhen. Wie weit, ist unklar – aber es dürften am Ende deutlich mehr als die bisher geplanten 16 Milliarden Euro sein. So können eventuelle Steuermindereinnahmen kompensiert werden.

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