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Zeigt in der Fraktion, was die Glocke geschlagen hat - Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus

© imago images / Christian Thiel

Fraktionschef Ralph Brinkhaus reizt die Länder: Der Zählgeist

Volker Bouffier lässt gegen Ralph Brinkhaus Dampf ab. Aber im Streit um die Finanzierung der Coronahilfen steht der Unionsfraktionschef nicht allein.

Von Robert Birnbaum

Der Knall war absehbar. Seine Heftigkeit war es nicht. So sauer, sagt anderntags ein CDU-Präsidiumsmitglied, habe er den allzeit bedachten Volker Bouffier überhaupt noch nie erlebt.

Der Hesse nahm sich im Kreis der CDU-Spitze den Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus zur Brust. Wenn Brinkhaus behaupte, die Länder machten sich in der Corona-Krise finanziell einen schlanken Fuß, dann sei das in der Sache komplett falsch und im Stil ganz und gar unsäglich: „Ich fordere Sie auf, sich in Zukunft zu mäßigen!“

Brinkhaus' Reaktion ist nicht überliefert. Nur Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer verteidigte seinen Chef. Aber wer den kennt, der ahnte: Mit dem Mäßigen wird das so einfach nicht.

Auf seine Art ist auch er ein Merkel-Mann

Zwei Jahre ist Brinkhaus Vorsitzender der größten Regierungsfraktion. Der 52jährige verdankte 2018 den Job dem Überdruss an Angela Merkel und der Chuzpe, sich als unbekannter Finanzpolitiker zur Wahl zu stellen. Den Frust über die Kanzlerin bekam ihr Fraktionsdompteur Volker Kauder ab – und Brinkhaus den drittwichtigsten Posten in der CDU nach Kanzleramt und Parteivorsitz.

Merkel war dann schnell klar, dass der Ostwestfale es mit seiner erklärten Loyalität ernst meinte. Die gilt im Kern bis heute. In der Corona-Politik unterstützt er den scharfen Kurs der Kanzlerin. Im Rechts-Links-Schema zählt er trotz Wirtschaftsnähe zum liberalen Lager.

Brinkhaus fiel auch lange nicht durch machtpolitischen Ehrgeiz auf. Nach innen allerdings sicherte er seine Position ab. Er lässt Stellvertretern und Fachsprechern lange Leine. Zum Kamera-Auftritt vor jeder Fraktionssitzung nimmt er einen der Vize mit. Die danken ihm die Freiheit auch dadurch, dass sie über manchen cholerischen Ausbruch hinwegsehen.

Beim Geld hört für ihn der Spaß auf

Doch seit einiger Zeit muckt Brinkhaus auf. Es geht fast immer ums Geld. Für den gelernten Betriebswirt und Steuerberater ist die „schwarze Null“ mehr als ein Wahlkampfhit. Er meinte es ernst, wenn er schon vor der Coronazeit ganzen Koalitionsausschüssen die Spendierkompromisslaune mit Mahnungen zur Haushaltsdisziplin verdarb.

Auch beim ersten Corona-Konjunkturpaket trat er sofort als Warner auf: Hilfe muss sein, aber nicht auf ewig und nur da, wo sie sein muss. Jede neue Idee weckt sein Misstrauen, selbst wenn sie vom eigenen CDU-Wirtschaftsminister Peter Almaier stammt.

Vorige Woche im Bundestag ging er Merkel dann direkt an: „Es gibt einen Bereich, Frau Bundeskanzler, der ist nicht in Ordnung ...“ Nämlich die Lastenteilung mit den Ländern: die könnten nicht dauernd Beschlüsse fassen „und die Rechnung dann dem Bund präsentieren“.

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Der Beifall aus den eigenen Reihen war trotz der knappen Corona-Besetzung im Reichstag unüberhörbar. Den Parlamentariern geht es schon lange gegen den Strich, dass sie Corona-Hilfen nur abnicken können, die Länder und Kanzleramt aushandeln. Und natürlich hatten sie alle gelesen, dass der Sachse Michael Kretschmer in der jüngsten Runde sogar versucht hatte, sich zusätzliche Schulbusfahrten vom Bund finanzieren zu lassen.

Brinkhaus hatte es auch gelesen. Es bestätigte sein wenig schmeichelhaftes Bild vom Länderfürsten: Auf Kompetenzen pochen und sich nichts sagen lassen, aber keine einheitliche Linie hinkriegen und immer die Hand aufhalten – sogar bei Kosten, die klar in die Zuständigkeit von Ländern und den ihnen untergeordneten Kommunen fallen.

Diese Art von Föderalismus kann ihm gestohlen bleiben. Brinkhaus steht damit nicht allein. Merkel sagt aber nichts, um ihre Rolle als Corona-Schiedsrichterin nicht zu gefährden. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) will das gleiche wie Brinkhaus, nur verschwurbelt: Im nächsten Jahre müssten die Corona-Hilfen stärker zur „Gemeinschaftsaufgabe“ von Bund und Ländern werden, forderte der zuletzt im „Heute“-Journal.

Hinter dem Finanzstreit lauern Machtfragen

Verschwurbeln ist Sache eines Ostwestfalen eher nicht. Spätestens wenn die Kameras abschalten, redet Brinkhaus geraderaus. Den Ministerpräsidenten ist seine Abneigung denn auch nicht lange verborgen geblieben. Das mag zu Bouffiers Heftigkeit beigetragen haben. Es geht nicht nur um Milliarden, sondern auch um Machtfragen.

Für Brinkhaus selbst gilt das sogar gleich doppelt.

In einem Jahr, direkt nach der Bundestagswahl, wählt die Unionsfraktion ihren Vorsitzenden neu. Ein Herausforderer ist schon in Sicht. Jens Spahn wird sich nicht mehr mit dem Gesundheitsministerium begnügen.

Andererseits ist Brinkhaus für viele Abgeordnete, gerade auch im mitgliederstarken Wirtschaftsflügel, ein bequemer Vorsitzender. Und im Flurfunk im Reichstag ventiliert ja sogar schon der eine oder andere die Frage, ob er nicht der richtige Mann wäre, die CDU aus ihrem Vorsitzendendilemma zu erlösen: Drei Anwärter, mit denen aber so richtig glücklich kaum einer ist.

Brinkhaus gefällt das Gerüchteln. Direkt darauf angesprochen, wird er ganz un-ostwestfälisch vage: „Die Frage stellt sich jetzt nicht.“

Seine letzten Reden im Reichstag lassen sogar den Schluss zu, dass er die Spekulationen befeuert. Damals gegen Kauder hatte er schließlich ebenfalls mit einem starken Redeauftritt überzeugt.

Eine Kandidatur bliebe trotzdem eine faustdicke Überraschung mit ungewissem Ausgang. Aber das hat vor zwei Jahren ja auch jeder gesagt.

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