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Schwarz-Gelb: Der Streit um die Vorratsdatenspeicherung

Vor dem Treffen des Koalitionsausschusses am Donnerstag hat Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger Eckpunkte für einen neues Gesetz vorgestellt. Die Vorratsdatenspeicherung ist eines der schwarz-gelben Streitthemen. Um was geht es dabei?

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Spätestens mit den Warnungen von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vor möglichen Terroranschlägen ist der Streit um die Vorratsdatenspeicherung wieder aktuell geworden. Die früher geltende Regelung, die das anlasslose Speichern von Telekom-Verbindungsdaten bis zu sechs Monate erlaubte, hatte das Bundesverfassungsgericht gekippt.

Was schlägt die Justizministerin vor?

Die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert eine „anlassbezogene Speicherungspflicht“, bei der nur die Speicherung von Verkehrsdaten derjenigen Personen angeordnet werden soll, die einen hinreichenden Anlass dazu gegeben haben. Durch eine solche „gezielte Maßnahme“ werde die Menge der zu speichernden Daten auf das notwendige Maß begrenzt. Zudem soll die Lösung sicherstellen, dass insbesondere bei der Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet eine Ermittlung der handelnden Personen möglich ist.

Wie soll die Speicherpflicht insgesamt begrenzt werden?

Im Wesentlichen fußt Leutheusser- Schnarrenbergers Entwurf auf dem sogenannten Quick-Freeze-Verfahren, das schon lange als grundrechtsschonendere Alternative zur Vorratshaltung von Daten erwogen wird. Bei den Telekommunikationsunternehmen sollen bereits vorhandene Geschäftsdaten eine begrenzte Zeit lang abgefragt werden können, ebenso soll es möglich sein, mit den Daten von Internet-Providern Personen und IP-Adressen ermitteln zu können – auch das eng befristet. Telekommunikationsunternehmen sichern in der Regel die Verbindungsdaten ohnehin für interne Zwecke für eine bestimmte Zeit – manche nur ein paar Tage, andere bis zu mehrere Monate. Polizei oder Staatsanwaltschaft müssen eine Sicherungsanordnung treffen, wenn es für die Ermittlungen „erforderlich“ ist. Der tatsächliche Zugriff auf die Daten soll nur mit einem Richterbeschluss möglich sein.

Wie ist die Lage in der EU?

Das für verfassungswidrig erklärte Gesetz basierte auf einer EU-Richtlinie, über die jedoch in vielen Mitgliedsstaaten gestritten wird. Nach dem Karlsruher Urteil wollte die EU-Kommission die Richtlinie umfassend evaluieren, was noch nicht abgeschlossen ist. Offen ist auch eine Prüfung durch den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg am Maßstab der neuen EU-Grundrechtecharta, wie sie der irische High Court verlangt hat.

Wie reagiert die Koalition?

Dass das Thema zu einem Konflikt zwischen Union und FDP führen wird, darüber sind sich die Beteiligten seit langem klar. Eine massenhafte Speicherung von Daten ist für CDU und CSU eine notwendige Voraussetzung dafür, dass die Sicherheitsorgane Terrornetzwerke und Kontakte von Terrorverdächtigen aufspüren und nachverfolgen können. Die Liberalen hingegen sehen darin einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Bürger ohne notwendigen Anlass.

Zunächst wollte Innenminister de Maizière den Konflikt mit seiner Justizministerkollegin von der FDP im Stillen schlichten. Spätestens nach der Verschärfung der Sicherheitslage in Deutschland im vergangenen November wird er jedoch von der Union in den Ländern und in der Fraktion zur Härte gedrängt. Und so war es zu erwarten, dass das Innenministerium die Eckpunkte aus dem Justizministerium „verhalten bis kritisch“ beurteilte, wie ein Sprecher am Montag sagte. Zwar begrüßte er, dass die Justizministerin vor der Sitzung des Koalitionsausschusses überhaupt Vorschläge vorgelegt hat. „In der Sache“, sagte er, sei man jedoch „nicht ganz so begeistert“. Es bestehe großer „Prüf- und Diskussionsbedarf“. Denn die Eckpunkte blieben hinter dem zurück, was das Bundesverfassungsgerichts als zulässig erachtet habe. De Maizière sei der Auffassung, dass das, was jetzt vorgeschlagen wurde, weder einer effektiven Kriminalitätsbekämpfung dienlich sei, noch dabei helfe, Schutzlücken zu schließen.

Auch die CSU reagierte am Montag prompt. Ihr Landesgruppenchef im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, warf der Ministerin vor, sie wiederhole „bedauerlicherweise ihre falsche Position“. Für die CSU stehe fest, dass der Staat in der Lage sein müsse, Gefahren für Recht und Sicherheit abzuwehren. Polizei und Sicherheitskräfte brauchten die Möglichkeiten, um internationalem Terrorismus und Organisierter Kriminalität Einhalt zu gebieten. Die Vorschläge Leutheusser-Schnarrenbergers sicherten dies alles nicht, sie seien daher „nicht praktikabel und entbehrten jeglicher Praxisorientierung“. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, sagte Friedrich, müsse „endlich die Realität zur Kenntnis nehmen“.

Verbietet das Bundesverfassungsgericht eine Vorratsdatenspeicherung?

Auch eine anlasslose Sechs-Monats-Speicherung sei mit dem Fernmeldegeheimnis im Grundgesetz „nicht schlechthin unvereinbar“, urteilte das Gericht. Und: „Es werden hierdurch Aufklärungsmöglichkeiten geschaffen, die sonst nicht bestünden und angesichts der zunehmenden Bedeutung der Telekommunikation auch für die Vorbereitung und Begehung von Straftaten in vielen Fällen erfolgversprechend sind.“ Das Quick-Freeze-Verfahren sei dagegen keine „vergleichbar effektive Aufklärungsmöglichkeit“. Allerdings konstatierte das Gericht eine „außerordentliche Streubreite“ des Eingriffs und verlangte eine viel höhere Datensicherheit. Und die Verwendung sei „bereichsspezifisch, präzise und normenklar“ zu regeln. Im Ergebnis bleibt also genug Raum für eine Vorratsdatenhaltung – nur nicht für die, die es bereits gab.

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