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Politik: „Der letzte große Konservative geht“

CSU-Generalsekretär Söder über Stoiber, Ho Chi Min und die Werte einer Volkspartei

Eine Landrätin in Latex, ein Kandidat für den Parteivorsitz mit Privatlebenproblem, ein Ministerpräsident, der Ho Chi Minh ehrt – was ist bloß aus der CSU geworden?

Zunächst einmal: Die CSU liegt stabil bei 53 Prozent in den Umfragen. Das ist angesichts der Ereignisse der letzten Monate ein wirklich hervorragendes Ergebnis. Das ist der beste Wert, den eine Partei in Deutschland erzielt. Und was Ho Chi Minh angeht: Edmund Stoiber macht auf seiner Asienreise einen Staatsbesuch in Vietnam. Dieses Land entwickelt sich dynamisch und ist ein wichtiger Wirtschaftspartner für Bayern. Aber er hat mir am Telefon erzählt, dass es für ihn schon etwas gewöhnungsbedürftig war.

Und die Latex-Fotos von Gabriele Pauli? Auch in Ordnung, auch gut fürs Profil?

Ich hab immer befürchtet, dass sich Gabriele Pauli irgendwann zur Tatjana Gsell der CSU entwickelt. Wenn man von den Medien hochgejubelt wird, ohne dass man inhaltlich etwas zu erzählen hat, dauert es nicht lange und man landet im Boulevard. Mir tut das für sie im Grunde leid. Frau Pauli hat als Landrätin einiges für den Landkreis Fürth getan. Inzwischen ist das alles nur noch peinlich.

Womit wir bei Horst Seehofer wären. Berühren Sie dessen Privatprobleme auch peinlich?

Privat ist privat. Wir haben im September Parteitag. Wir haben zwei Kandidaten, und wer gewählt wird, entscheiden die Delegierten.

Ist es in der CSU inzwischen egal, wie ein Spitzenkandidat seine privaten Verhältnisse ordnet oder nicht ordnet?

Wie die einzelnen Delegierten das gewichten, kann ich nicht beurteilen. Auch Horst Seehofer sagt, dass er das nicht einschätzen kann.

Seehofer sieht sich als mögliches Opfer einer „Vernichtungsstrategie“. Solche Strategen müssten doch in der CSU sitzen.

Er selbst hat gesagt, dass er mit der Situation jetzt sehr zufrieden ist. Wir haben eine geordnete und faire Situation. Das wird bis zum Herbst auch so bleiben. Die Entscheidung wird sich am Ende daran orientieren, wie sich die CSU für die Landtagswahl 2008 am besten aufstellt. Aber auch nach der Entscheidung werden beide eine wichtige Rolle in der CSU spielen. Wir brauchen Erwin Huber und Horst Seehofer.

Schwächt der Schwebezustand an der CSU-Spitze nicht den Einfluss in Berlin?

Ach wissen Sie – schon als die große Koalition gebildet wurde, gab es dieses Gerede, dass die CSU jetzt nicht mehr so gebraucht werde. Das war damals genauso falsch wie heute. Sicher sind wir der nominell kleinste Partner, aber wir haben einen hohen Gestaltungsanteil als der wertkonservative Teil dieser Regierung. Das war unter Edmund Stoiber so und wird auch unter dem neuen Vorsitzenden so bleiben. Ohne die Wahlergebnisse der CSU hätte es in Deutschland nie für eine bürgerliche Regierung gereicht.

Wo ist die CSU aktuell unverzichtbar?

Wahlen gewinnt man nicht nur mit Wirtschaftsdaten, sondern vor allem auch mit kulturellen und gesellschaftspolitischen Botschaften. Die CSU spielt als moderne wertkonservative Partei für die gesamte Union dabei eine Rolle, die weit über die zahlenmäßige Stärke hinausragt. In Österreich hat zum Beispiel die ÖVP unter Wolfgang Schüssel die letzten Wahlen trotz grandioser Wirtschaftserfolge verloren. Der Verweis auf Zahlen und Bilanzen allein macht Manager und Banker glücklich, führt aber noch nicht dazu, dass man gewählt wird. Die österreichischen Hausfrauen etwa fühlten sich von der ÖVP nicht ausreichend anerkannt. Auch beim Thema Bekenntnis zur christlich-abendländischen Tradition haben Österreichs Konservative zu wenig Profil gezeigt.

Kulturelle Botschaften setzt im Moment vor allem Ursula von der Leyen – nicht immer zur Freude der CSU.

Die Familienministerin macht ihre Arbeit sehr gut. Sie hat ein wichtiges Thema erkannt. Wir bauen in Bayern schon länger die Kinderbetreuung massiv aus. Aber für die Familienpolitik der Union insgesamt muss gelten: Die Hausfrau ist uns genauso wichtig wie die Karrierefrau.

Und das betont Frau von der Leyen nicht stark genug?

Ich denke, man kann den guten und richtigen Ansatz von Frau von der Leyen noch ergänzen.

Kann man – oder muss man?

Die CDU versucht, und das ist ja auch gut und richtig, neue Wählerschichten zu erschließen, und das ist sicher ein strategischer Ansatz. Aber man muss dabei behutsam vorgehen und darauf achten, dass man seine Stammwähler mitnimmt. Das Schlimmste wäre, wenn man neue Wähler nicht erreicht und alte verliert.

Die Union ist in Gefahr, das Schicksal der ÖVP zu teilen, weil die Hausfrau sich nicht mehr wichtig genug genommen sieht?

Wir müssen auf jeden Fall aufpassen. Wir dürfen uns nicht im Nirwana der politischen Mitte verlieren, sondern müssen auch das konservative Element repräsentieren. Die Union muss immer klare politische Alternative bleiben und darf nicht zur bloßen Variante verkümmern. Es gibt genug austauschbare Parteien in Deutschland. Dazu gehört eine klare Sprache etwa bei Themen wie der RAF. Frau Mohnhaupt ist eine Mörderin, egal, was irgendein Anwalt dazu sagt. Dazu gehört eine klare eigene Identität – in bayerische Klassenzimmer gehören Kruzifixe und keine Kopftücher. Und natürlich müssen wir in der Familienpolitik klar machen, dass auch die traditionelle Familie bei uns ihren Platz hat.

Wie sieht das übersetzt ins Praktische aus? Am Montag beraten Bund, Länder und Gemeinden über von der Leyens Pläne, die Krippenplätze auszubauen.

Es geht zunächst um Zahlen, die geklärt werden müssen. Selbst wenn man sagt, der Bedarf an Kleinkinderbetreuung beträgt 30 Prozent, dann heißt das ja umgekehrt, dass das für 70 Prozent nicht gilt. Die überwiegende Mehrzahl der Eltern betreut ihre Kinder in den ersten drei Jahren zu Hause. Wir dürfen uns deshalb in der Familienpolitik nicht nur auf eine Seite konzentrieren.

Machen Sie die Zustimmung zum Krippengeld von zusätzlichem Geld für Hausfrauenmütter abhängig?

Es ist wichtig, das eine mit dem anderen zu verbinden. Wir unterstützen Frau von der Leyen, wenn es tatsächlich einen zusätzlichen Bedarf gibt. Wir werden uns aber auch für die klassische Familie einsetzen. Sonst wäre unsere Familienpolitik nur zur Hälfte verwirklicht. Wenn ich die Finanzen bewusst in eine Richtung lenke, bedeutet das ja auch eine Weichenstellung. Unser Ziel muss Wahlfreiheit sein. Hier müssen wir die Balance finden. Wir wollen ja nicht den Eltern vorschreiben, wie sie ihre Kinder zu erziehen haben. Das will die SPD, die die Lufthoheit über den Kinderbetten fordert.

In der großen Koalition nehmen die Reibereien zu. Hält das Bündnis bis 2009?

Es ist eine Zwangsgemeinschaft, die bisher überraschend gute Ergebnisse gebracht hat. Das liegt vor allem an unserer Kanzlerin. Nach Rot-Grün war das Land in einer verheerenden ökonomischen Lage. Das hat sich deutlich gebessert. Allerdings tut sich die SPD wahnsinnig schwer damit, Regierungspartei zu sein. Vor allem die Parteilinke wäre lieber in der Opposition. Kurt Beck zeigt Führungsschwäche.

Was halten Sie dem Koalitionspartner vor?

Die SPD stimmt im Bundestag für den Tornado-Einsatz in Afghanistan. Außerhalb des Parlaments spielt sie aber eine Art pazifistische APO und macht gegen einen möglichen Raketenschutzschild mobil. Das halte ich für äußerst unglaubwürdig. Da fliegt Außenminister Steinmeier nach Washington und versucht in dieser Frage eine vernünftige Lösung zu erreichen, und Parteichef Beck hockt irgendwo an der Mosel und fällt ihm in den Rücken. Es ist auch ein Problem, wenn wir gemeinsam mit Arbeitsminister Müntefering überlegen, wie wir den Niedriglohnsektor strukturieren können, und gleichzeitig die SPD als Partei eine Unterschriftenaktion für Mindestlöhne macht. Die SPD muss sich entscheiden, ob sie Regierungs- oder Oppositionspartei sein will.

Die SPD will der Union mit der Unterschriftenaktion Druck machen, und offenbar hat sie damit doch auch Erfolg.

Die SPD hat einfach nur Angst vor der Linkspartei. Sie fürchtet, dass die Linke die eigentliche Gewerkschaftspartei wird und ihr ein großer Teil ihrer Anhängerschaft wegbricht. Diese Angst führt zu solchen Panikreaktionen. Damit kommt man aber nicht weiter. Deutschland darf nicht unter den psychologischen Problemen der SPD leiden.

Befürchten Sie nicht, dass die SPD mit der Absage an das US-Raketenabwehrsystem ein sehr populäres Thema gefunden hat?

Die Menschen durchschauen genau, dass es der SPD nur darum geht, ihre miserablen Umfragewerte zu verbessern. Stattdessen sollten wir sachlich analysieren: Wir müssen als Erstes fragen, ob unsere Sicherheit bedroht ist. Zweitens müssen wir klären, ob der geplante Raketenschild überhaupt geeignet ist, diese Bedrohung abzuwenden. Unbedingt vermieden werden muss außerdem, dass die Nato über dieser Frage auseinanderfällt. Kurt Beck hat mal gesagt: erst grübeln, dann dübeln. Guter Satz. Daran sollte er sich halten.

Vielleicht hat Beck bei dem Thema ja schon ein Bündnis mit der FDP im Auge. Es gibt bei der Raketenabwehr jedenfalls eine spannende Übereinstimmung …

Alle halbe Jahre gibt es Koalitionsgeraune und Spekulationen. Das darf man nicht überbewerten. Die guten Umfragewerte der FDP sind zum überwiegenden Teil von der Union geliehen. Dass die FDP sich ernsthaft mit der SPD verbrüderlen will in einer Zeit, in der die SPD ökonomisch nach links rückt – also, das würde mich sehr wundern. Ich glaube nicht, dass klassische FDP-Wähler eine Unterschriftenaktion für Mindestlöhne gut finden.

Wenn das stimmt – die FDP ist stark nur auf Kosten der Union –, wird das ja nie mehr was mit einer bürgerlichen Mehrheit.

Das halte ich für falsch. Die Wählerschaft ist kein Kuchen, der sich beliebig teilen lässt. Ich rechne für die Zukunft mit höheren Wählerwanderungen. Für die Union bedeutet das, dass sie zunächst ihre Stammwähler mobilisieren muss, die Konservativen und den Mittelstand. Und sie muss den Charakter und die ganze Bandbreite einer Volkspartei bewahren.

Und was ist mit Jamaika?

Solange es bei den Grünen einen Christian Ströbele gibt, der unsere Nationalhymne auf Türkisch singen lassen will, und solange dort Leute wie Jürgen Trittin und Claudia Roth das Sagen haben, halte ich das für ausgeschlossen.

Aktuell macht der SPD die Unternehmensteuerreform zu schaffen. Viele Genossen fordern im Gegenzug, private Erbschaften höher zu besteuern. Wäre das akzeptabel?

Ökonomische Prozesse mit politischen Tauschgeschäften zu koppeln, führt immer in die Sackgasse. Entweder wollen wir Arbeitsplätze in Deutschland schaffen oder nicht. Arbeitsplätze orientieren sich doch nicht an der Parteitagsideologie irgendwelcher Hinterzimmerstrategen. Die Unternehmensteuerreform soll dazu dienen, dass wir als Standort für Unternehmen auch international wieder interessant werden. Das schafft Arbeitsplätze.

Aber es ist just die CSU, die gerade Mindestlohn und Kündigungsschutz verkoppelt.

Wie kommen Sie darauf? Der gesetzliche Mindestlohn ist falsch, weil er Tausende Arbeitsplätze vernichtet. Außerdem haben wir faktisch schon einen Mindestlohn, und das ist Hartz IV. Für den Mittelstand ist der Mindestlohn ein Symbolthema wie die Antidiskriminierung.

Herr Söder, Sie gelten als Stoiberianer. Wird Ihnen bange um die Zukunft der CSU, wenn Sie an seinen Abgang denken?

Mit Edmund Stoiber geht der letzte große Konservative der deutschen Politik, das steckt auch eine Partei wie die CSU nicht so leicht weg. Wir müssen in Bayern immer über 50 Prozent der Wähler erreichen. Das ist in der wachsenden Heterogenität der Gesellschaft eine immer größere Herausforderung als bisher schon. Deshalb ist es für die CSU als letzte verbliebene Volkspartei so ungeheuer wichtig, dass sie die ganze Breite einer Volkspartei verkörpert. Die Verantwortung verteilt sich in Zukunft auf mehrere Schultern. Die CSU ist dabei gut beraten, Edmund Stoiber weiterhin eng einzubinden. Bei der Landtagswahl 2008 steht ja eine Politik zur Abstimmung, die von ihm maßgeblich geprägt worden ist.

Besteht nicht die Gefahr, dass der letzte große Konservative Deutschlands die CSU in einer Weise weiter prägt, die alle Nachfolger verzwergt?

Das glaube ich nicht. Edmund Stoiber verbindet mit Günther Beckstein und Erwin Huber seit Jahrzehnten eine enge politische und menschliche Freundschaft. Er kann auch mit Horst Seehofer ganz ordentlich. Wir werden Edmund Stoibers Rat auch in Zukunft als Ratgeber brauchen.

Das Gespräch führten Robert Birnbaum und Stephan Haselberger.

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