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EIN BESUCH BEI VIKTOR JUSCHTSCHENKO: Der Gezeichnete

Entschlossener Blick, fester Händedruck, kein Lächeln. Der Mann, der gerade den prunkvollen Raum in der Residenz des Präsidenten in Kiew betreten hat, ist ein Gezeichneter.

Entschlossener Blick, fester Händedruck, kein Lächeln. Der Mann, der gerade den prunkvollen Raum in der Residenz des Präsidenten in Kiew betreten hat, ist ein Gezeichneter. Die Schminke kann nicht verbergen, dass sich in seinem Gesicht tiefe Narben von einem

Dioxin-Anschlag eingegraben haben. Aber auch die Ereignisse der vergangenenJahre sind nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Viktor Juschtschenkos Geschichte wäre fast tragisch zu nennen, hätte er nicht selbst so großen Anteil an ihrem Verlauf. In der orangenen Revolution 2004 haben sie ihn als Helden gefeiert auf dem Maidan in Kiew, nur wenige hundert Meter von hier. Heute ist er zwar Präsident des Landes, doch die Ukraine ist gelähmt von dem erbitterten Machtkampf zwischen ihm und der Regierungschefin

Julia Timoschenko. Während des Gesprächs tritt Juschtschenko immer wieder aus seiner präsidialen Rolle heraus und erhebt schwere Vorwürfe gegen seine politischen Gegner, durch die er sogar die Demokratie in seinem Lande bedroht sieht. Von einer „versteckten Form der Machtübernahme“ ist da die Rede, und davon, Timoschenko habe eine Verfassungsänderung angestrebt mit dem Ziel, „ewige Premierministerin“ zu sein.

Zugleich ist es ihm aber wichtig zu betonen, dass es sich nicht um einen Konflikt zwischen Personen handele. Es geht aus seiner Sicht um etwas Größeres, um einen Kampf der Ideologien. Und letztlich wohl um seinen Platz in der Geschichte. Bei der nächsten

Präsidentenwahl (im Oktober oder im Januar, selbst dieser Termin ist noch umstritten) will er wieder antreten, obwohl seine Umfragewerte auf unter drei Prozent gefallen sind. Das Volk hat sich von seinem Helden abgewandt.

Juschtschenko wirkt angespannt an diesem Tag. Das ändert sich erst, als das Gespräch sich von der Politik abwendet. Er erzählt Anekdoten über den Schriftsteller Nikolaj Gogol und zitiert aus dessen Memoiren –- um zu beweisen, dass der Autor der „Toten Seelen“ kein Russe ist, sondern Ukrainer. Über diese Frage ist in beiden Ländern viel gestritten worden.

Zur Entspannung liest Juschtschenko abends ein Buch aus der Reihe „Bedeutende Ukrainer“. Der Verlag, versichert die Pressesprecherin, werde auch ein Buch über den Präsidenten herausbringen. Claudia von Salzen

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