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Atomschlag: Chirac beruhigt Deutsche

Der französische Präsident Jacques Chirac hat die Deutschen wegen seiner umstrittenen Ausdehnung der Atomwaffenoption auf Terrorstaaten zu beruhigen versucht.

Versailles - "Niemand in Deutschland muss sich auch nur im allergeringsten Sorgen machen", sagte Chirac am Montagabend in Versailles nach einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). An der Schwelle für einen französischen Atomschlag habe sich nichts geändert. "Die Abschreckung bleibt eine Lebensversicherung für unsere vitalen Interessen" nicht nur in Frankreich, sondern auch sonst in Europa, bekräftigte Chirac.

Die Kanzlerin sah keinen Grund zu Kritik an Chiracs Ankündigung vom vergangenen Donnerstag. Sie wundere sich über die Diskussion in Deutschland dazu, "weil Chiracs Äußerungen in voller Kontinuität mit der französischen Doktrin steht", sagte sie. "Es ist eine Anpassung der Doktrin an eine veränderte Bedrohungslage, aber eine Anpassung in voller Kontinuität." Die Opposition hatte Merkel vor der Reise nach Paris aufgefordert, sich von Chiracs Atom-Äußerungen abzugrenzen.

Die Kanzlerin lobte das "hohe Maß an Übereinstimmung und die Vielzahl an Ideen" auf beiden Seiten in der Europapolitik. Mit Blick auf den EU-Gipfel zur Zukunft der EU-Verfassung im Juni wollten sich Berlin und Paris weiterhin abstimmen. "Ein Europa der Bürger muss ein Europa der konkreten Projekte sein", bekräftigte sie die Auffassung Chiracs. "Wir sind uns einig, dass Europa stagniert, wenn Deutschland und Frankreich nicht der Motor sind", erklärte die Bundeskanzlerin.

Chirac führte eine lange Liste von Schwerpunkten für den deutsch-französischen Ministerrat am 14. März in Berlin auf. Er verwies auf gemeinsame Arbeit für Beschäftigung, Innovation und Forschung. Jugendarbeitslosigkeit, Demographie und Energie sowie Einwanderung und auch der Kampf gegen die Vogelgrippe seien weitere wichtige Themen. Beim Streit um die von Chirac versprochene und von Berlin bisher blockierte Senkung der Mehrwertsteuer für Restaurants verständigen sich beide auf einen Aufschub. Frankreichs Anliegen wird noch einmal an die EU-Kommission verwiesen, ist also nicht vom Tisch.

Mit einem Rundgang durch die Ausstellung "Die Pracht des sächsischen Hofes. Dresden in Versailles" hatten Chirac und Merkel zuvor diese Schau mit etwa 300 kostbaren Exponaten im Château de Versailles eröffnet. Der 25. informelle Gipfel seit 2001 in dem deutsch-französischen "Blaesheim-Prozess" endete mit einem Essen.

Grünen-Chefin Claudia Roth hatte "deutliche Worte" von Merkel wegen der französischen Atomwaffendrohung gefordert. Die Äußerungen Chiracs würden auch als eine Drohung gegenüber Teheran verstanden, sagte Roth in Berlin. "Der Streit mit Iran kann weder mit nuklearen Drohungen noch mit sonstigen Drohgebärden gewonnen werden." Auch FDP und Linkspartei hatten sich von Chiracs Äußerungen distanziert. (tso/dpa)

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