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Wahlanalyse: Auf Wanderschaft

Die Wähler haben die Parteienlandschaft gründlich aufgemischt – davon profitiert vor allem die Linke. Für die CDU war der Wahltag in beiden Ländern ein bitterer Rückschlag – wenngleich Christian Wulff in Niedersachsen unangefochten Amtsinhaber blieb.

Von Matthias Schlegel

Berlin - Doch die Verluste der CDU in Hessen mit zwölf Prozentpunkten und in Niedersachsen mit 5,8 Prozentpunkten rücken das im Jahr 2003 von starkem Bundeseinfluss und dem Schwächeln von Rot-Grün geprägte Ergebnis wieder deutlich zurecht.

Weil, wie die Forschungsgruppe Wahlen in Mannheim resümiert, jetzt der bundespolitische Gegner fehlte, seien beide Wahlen mit eigenen Themen und Gesichtern landespolitisch geprägt gewesen. Speziell in Niedersachsen habe sich die CDU schwergetan mit der Mobilisierung ihrer Wähler, was auch dazu beitrug, dass die Wahlbeteiligung nach einem ruhigen Wahlkampf auf ein Rekordtief abgesackt ist. In Hessen sei die Wahlbeteiligung bei umstrittenen Themen, unterscheidbaren Politikkonzepten sowie einem polarisierenden Ministerpräsidenten dagegen konstant geblieben.

Während die CDU in Niedersachsen nach Ansicht der Forschungsgruppe Wahlen „mit guter Regierungsarbeit und hohem Parteiansehen“ sowie dem positiven Image von Ministerpräsident Christian Wulff die Grundlage für den Wahlsieg schuf, brach die Partei in Hessen auf allen diesen Feldern massiv ein.

Und weil die CDU sowohl an Kompetenzeinbußen litt – am gravierendsten bei der von den Wählern als wichtigstes Thema eingeschätzten Bildungs- und Schulpolitik – und im Rennen der Spitzenkandidaten mit Roland Koch am Ende auf verlorenem Posten stand, wanderten Wähler massenhaft zur SPD ab: 92 000 Hessen wollten nicht mehr ihr Kreuzchen bei der CDU machen, sondern vertrauten nun der SPD, wie die ARD unter Berufung auf die Wählerwanderungsstatistik von Infratest-dimap berichtete. Erstaunlich hoch, wenn auch für die CDU weniger schmerzlich, war mit 66 000 die Zahl der Wechsler zur FDP. Die Liberalen hatten im Wahlkampf ganz auf die CDU als künftigen Koalitionspartner gesetzt und keinen Hehl daraus gemacht, dass sie für diejenigen potenziellen Unionswähler offen sind, die mit der CDU und ihrem Spitzenkandidaten ein Problem haben.

Die Linken verdanken ihren Wahlerfolg und den Einzug in beide Landesparlamente in erster Linie von der SPD abgewanderten Wählern, in Niedersachsen offenbar auch einem erstaunlich großen Anteil ehemaliger Grünen-Wähler. In der Wählerwanderungsstatistik sind die Linken im übrigen als einzige Partei verzeichnet, die aus der historisch niedrigen Wahlbeteiligung in Niedersachsen Kapital schlagen konnte.

Die Statistik belegt auch, dass die Linkspartei wie erwartet unter den Arbeitslosen starken Rückhalt findet: 27 Prozent der Arbeitslosen in Niedersachsen – also mehr als jeder vierte – wählten die Linke. Insgesamt setzten die Arbeitslosen zwar noch mehr Hoffnung in die SPD, die von 36 Prozent der Arbeitslosen gewählt wurde. Aber unter den sozialen Gruppen – Arbeiter, Angestellte, Selbstständige, Rentner, Auszubildende – sind die Arbeitslosen damit die weitaus stärkste Klientel der Linkspartei. In Hessen wählten 15 Prozent der Arbeitslosen die Linken (36 Prozent SPD, 22 Prozent CDU).

Während die CDU und Christian Wulff in Niedersachsen auf die Erstwähler eine durchaus beträchtliche Anziehungskraft ausübten – 36 Prozent der Erstwähler machten ihr Kreuz bei der CDU, 29 Prozent bei der SPD –, sah das in Hessen anders aus. Dort gaben der CDU und Roland Koch nur 27 Prozent der Erstwähler ihre Stimme, 39 Prozent votierten für die SPD. Die Großstädte sind nach wie vor ein schwieriges Pflaster für die CDU. Die Hessen-CDU lag dort deutlich hinter der SPD zurück (31,5 zu 37,7 Prozent). In Niedersachsen erreichte die CDU nur 32,6 Prozent in den Großstädten, dafür aber 46,8 Prozent in den Landgemeinden.

Bei den Frauen konnte die hessische SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti offenbar punkten: 39 Prozent der Hessinnen wählten SPD (Männer: 35 Prozent). Der Ypsilanti-Bonus könnte aber auch ein Koch-Malus gewesen sein: Die CDU wurde nur von 35 Prozent der Frauen, aber von 37 Prozent der Männer gewählt. In Niedersachsen war es umgekehrt: Dort wählten 43 der Frauen, aber nur 42 Prozent der Männer die CDU mit Christian Wulff an der Spitze.

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