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Meinung: Weltwirtschaftsforum: Der uneingeschränkte Schröder

Entweder gehen sie dir an die Gurgel, oder sie lecken dir die Stiefel. Das hat angeblich Winston Churchill über die Deutschen gesagt.

Entweder gehen sie dir an die Gurgel, oder sie lecken dir die Stiefel. Das hat angeblich Winston Churchill über die Deutschen gesagt. Sein Bonmot ist wie fast alles, was in knapper Zitatform über andere Völker kursiert, derb, platt und pauschal verunglimpfend. Dennoch fiel es schwer, sich am Donnerstagabend im Rosengarten des Weißen Hauses nicht an Churchills Einsicht erinnert zu fühlen. Da stand ein deutscher Bundeskanzler neben dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, und in allen Gesten und Bemerkungen von Gerhard Schröder schwang ein "Jawoll, Herr Präsident" oder "Stets zu Diensten, Herr Präsident" mit. Ist es wirklich so schwierig, ein treuer, verlässlicher Partner Amerikas zu sein, ohne seine Identität zu verleugnen?

Offenbar ja. George W. Bush hat nach dem 11. September erstaunliches Format bewiesen. Er hat auf die terroristische Herausforderung entschlossen und angemessen reagiert. Deutschland wiederum hat sich als uneingeschränkt solidarisch gezeigt. Das liegt weiterhin im Interesse des Landes. Doch gerade Freundschaften vertragen nicht nur Offenheit, sie brauchen sie auch. Und einige Divergenzen müssen öffentlich gemacht werden, damit Außenpolitik nicht bloß als Einheitsbrei oder Kuschelnummer wahrgenommen wird. Schröder galt einmal als Kanzler, dem es leichter als seinen Vorgängern gefallen war, deutsche Interessen zu formulieren. Damit scheint Schluss zu sein: Am Dienstag hatte Bush in markanten Worten einer "Achse des Bösen", die Nordkorea, Iran und Irak umfasst, den Krieg erklärt. Was er von dieser Ausweitung des Anti-Terrorkampfes halte, wurde Schröder bei seinem Besuch gefragt. Antwort: Es sei nicht seine Sache, über neue Ziele zu spekulieren; die Rede des Präsidenten sei "bedeutend" gewesen. Nächster Punkt: Was ist mit den Gefangenen auf Guantanamo? Antwort: An der Diskussion über den Status dieser Inhaftierten wolle er sich nicht beteiligen. Ja, warum eigentlich nicht? Kann Schröder nicht einfach sagen, die Foltervorwürfe seien haltlos, aber das Völkerrecht laut Genfer Konvention eindeutig anzuwenden? Demzufolge müssen die Festgenommenen so lange als Kriegsgefangene gelten, bis ihr Status geklärt wurde. Diese Position vertritt übrigens auch US-Außenminister Colin Powell.

Schließlich der Nahe Osten. Wer hätte vor zwei Jahren zu prophezeien gewagt, dass einst ein Ministerpräsident Ariel Scharon seinen Erzfeind Jassir Arafat unter Hausarrest stellt und sukzessive dessen Autonomiebehörde zerschlägt, während die US-Regierung aufmunternd zusieht und die EU billigend schweigt? Sharon bedauert es, Arafat nicht schon vor zwanzig Jahren liquidiert zu haben, in Israel wird das Für und Wider eines solchen Schrittes heute intensiv diskutiert - "Dead Man Walking" heißen die entsprechenden Überschriften in den US-Medien. Was hat Schröder dem entgegenzusetzen? Antwort: Arafat müsse gedrängt werden, endlich massiver gegen Terroristen vorzugehen. Wie denn? Sollen die israelischen Panzer zehn Zentimeter dichter an das Haus des Friedensnobelpreisträgers heranrollen? Wäre es zu viel von Schröder verlangt gewesen, auch an die Worte von UN-Generalsekretär Kofi Annan zu erinnern, der davor gewarnt hat, Arafat weiter zu isolieren?

Nein, keine Statur, nirgends. Russland und China sind als globale Gegengewichte zu Amerika verschwunden, die Vereinten Nationen abgetaucht, die Nato wurde marginalisiert, und Europa spricht wieder mit so vielen Zungen, dass es sich offenbar im Zustand der freiwilligen Selbstauflösung befindet. Ein erbärmliches Bild, in das sich Deutschland willig fügt. Früher hat sich das Land vor Militäreinsätzen gedrückt und stattdessen gezahlt. Heute schickt die Bundesregierung ihre Truppen von Afghanistan bis nach Somalia, drückt sich aber vor klaren Aussagen. Also noch einmal, Herr Schröder: Ist die von Ihnen geführte Regierung der Ansicht, dass vom Irak eine globale Bedrohung ausgeht, der möglicherweise militärisch begegnet werden sollte, ja oder nein? Die Antwort von Bush ist bekannt. Doch auch die deutsche Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, in entscheidenden weltpolitischen Fragen nicht permanent mit Nebelbomben beworfen zu werden.

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