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Lesermeinung: Überzogen reagiert

Zu: „Siegerehrung mit Nachspiel" (PNN vom 15.07.

Zu: „Siegerehrung mit Nachspiel" (PNN vom 15.07.05): Bei einem Turnier wurde zur Siegerehrung versehentlich die erste statt der dritten Strophe des Deutschlandliedes gespielt. Um diese Tat zu ahnden, wurde sogar die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Da ist doch irgendetwas gestört. Offensichtlich unser Verhältnis zur Vergangenheit. Das Deutschlandlied ist 1841 von Hoffmann von Fallersleben gedichtet worden. Es ist die Zeit, in der die Bedrohung durch Napoleon noch nicht vergessen ist und damit auch die Gemeinsamkeit der vielen deutschen Staaten in der gemeinsamen Abwehr. Da von vielen ein einiges Deutschland geträumt wird, wird es mehr und mehr zum Lied der Deutschen. Die Grenzen, die das Lied angibt, entsprechen in etwa denen des damaligen Deutschen Bundes, wobei Österreich dazu genommen wird. Der Kaiser in Wien war lange Zeit hindurch Deutscher Kaiser. Nationalhymne wird das Lied 1922 durch den damaligen Reichspräsidenten Friedrich Ebert. Nach 1945 wurde unter Bundespräsident Heuss als gültige Nationalhymne die letzte Strophe belassen, weil insbesondere die erste Strophe falsch verstanden werden konnte. War das Lied einmal als Zukunftstraum in einer Zeit deutscher Zerrissenheit entstanden, so konnte es jetzt als falscher Anspruch verstanden werden. So war die Beschränkung richtig. Unverständlich ist aber die kleinkarierte Aufregung wegen des fälschlich gespielten ersten Verses. Die Begründung: Hitler habe es missbraucht. Wenn Sie davon ausgehen; was hat Hitler nicht alles missbraucht? Wie viele Träume hat er pervertiert? Sollen wir im Nachhinein auch die Dichter solcher Lieder verdammen? Dann dürfen Sie Ihre Kinder nicht mehr „Maikäfer flieg" und „Kuckuck Kuckuck ruft’s aus dem Wald" singen lassen. Denn sie stammen vom gleichen Dichter. Aber sie wären dann in guter Gesellschaft. Der Preußische Staat tat es damals auch. Er entfernte Hoffmann von Fallersleben aus allen seinen Ämtern. Anstatt das Lied zu verteufeln, sollten wir es so verstehen, wie es ursprünglich gemeint war: Eine Art Liebeslied auf unser schönes Land und seine Menschen. Es ist nicht markig gedacht, sondern eher träumerisch: eines unserer schönsten Volkslieder, dessen letzte Strophe sogar unsere Nationalhymne wurde. Wilhelm Stintzing, Potsdam

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