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Meinung: Kapitän im Matrosenanzug

Warum Guido Westerwelle jetzt alles richtig macht – und doch nicht begeistern kann

Der Mensch befindet sich ja meist im Übergang. Rund Vierzigjährige, zum Beispiel, sind gewöhnlich in der Lage, den gestandenen Mann und die gestandene Frau zu geben, nicht mehr leicht zu erschüttern, das Lot tief ins Leben gesenkt. Doch manchmal tritt unversehens das Jungenhafte wieder hervor, als Schalk oder als Verunsicherung.

So war es auch gestern bei Guido Westerwelle. Der Mann muss ziemlich verunsichert sein nach all dem Gegenwind, den er bekommen hat, nach seinen eigenen strategischen Fehlern. Doch weil ein FDP-Vorsitzender beim Drei-Königstreffen nicht unsicher sein darf, vor allem dann nicht, wenn er es in Wirklichkeit ist, war er es auch nicht. Die äußere Schale von Guido Westerwelle hielt. Nur am Schluss, als er versuchte, mit Authentizität zu begeistern und das nicht gelang, da war plötzlich ein unsicherer Junge zu sehen, der Westerwelle eben auch noch ist. Was ihn ja andererseits sympathisch macht.

Dabei hatte er alle seine Fehler korrigiert: Möllemann hat er nicht einmal erwähnt, die Sündenbocktaktik also aufgegeben. Das Projekt 18 hat er zurückgeführt auf einen rationalen Kern: Die FDP will wachsen. Wer will das nicht? Und die großspurige Strategie der Eigenständigkeit besteht nur mehr darin, dass die FDP keine Koalitionsaussage machen will, was eine Oppositionspartei lange vor der nächsten Wahl auch nicht braucht.

Westerwelle und seine FDP sind also wieder gelandet, auf dem Boden der Tatsachen und des Liberalismus, der in gewisser Weise eine ewige republikanische Wahrheit darstellt, eine Sichtweise, die in keiner Demokratie fehlen darf. Warum konnte er trotzdem nicht begeistern, warum fiel ihm, der zu intelligent ist, um sich ganz zu betrügen, das sogar selbst auf und verunsicherte ihn? Einmal liegt das an den Fehlern der Vergangenheit, besonders an einem: Eine bürgerliche Partei darf diesen oder jenen Schlenker machen, mit denen oder mit den anderen ins Bett steigen. Nur eines darf sie nicht – ihre bürgerliche Haltung, ihren Habitus der Seriosität aufgeben. Diesen Fehler heilt nur die Zeit.

Das andere Problem liegt im Tonfall. Als der Neoliberalismus noch stark war, als die Börsen ihre Blasen bildeten und das Internet zur letzten Utopie des 20. Jahrhunderts avancierte, da sang die FDP, da sang auch Westerwelle dieses schrille Lied aus voller Kehle mit. Da wurde der FDP-Neoliberalismus zu dem, was die allermeisten Deutschen auf keinen Fall wollten. Liberalisierung ja – aber nicht so weit wie die FDP. Das war und das ist Konsens. Auch heute noch, da die Bereitschaft zu Deregulierung, Freiheit und Risiko insgesamt zugenommen hat.

Westerwelle hat einen liberalen Ton noch nicht getroffen, der über die neuerdings Liberalen im Kanzleramt und den wieder mal liberaleren Grünen hinausgeht, ohne dabei sogleich schrill und missionarisch zu wirken. Das kann auch nur im Detail funktionieren, wenn es in den verschiedenen Sachbereichen um das Wie der Liberalisierung geht. Da bei der FDP aus den bekannten Gründen die Sacharbeit seit einem Jahr weitgehend ruht, wird auch das noch dauern.

Zeit aber hat Westerwelle nur, wenn er am 2. Februar nicht beide Landtagswahlen verliert. So zahlt er den Preis dafür, dass er Möllemanns Treiben zu lange zugesehen hat und dann zu lange alle Schuld auf ihn abwälzen wollte. Manchmal ist Politik doch gerecht.

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