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Gastkommentar: Israel gefährdet sich selbst

Israel paktiert mit Europas Rassisten - und wird so zu einer Gefahr für sich selbst. Die israelische Ghettomentalität und der Glaube, sich hinter Mauern abschotten zu müssen, könnte dadurch verstärkt werden.

Vor einigen Wochen sangen sie im Gush-Katif-Museum in Jerusalem, das die „Vertreibung“ der Siedler aus Gaza dokumentiert, aus vollen Kehlen ein altes jüdisches Gebet: „Gesegnet seiest Du, Herr, unser Gott, König der Welt …“ Einer der vielen anwesenden Politiker aus Europa hatte einen besonders pietätvollen Gesichtsausdruck aufgelegt. Blaue Augen, großgewachsen, das Haar sorgfältig unter der Kippa gescheitelt: Heinz-Christian Strache, Chef der rechten FPÖ. Der Österreicher Strache, früher Mitglied einer neonazistischen Jugendbewegung und heute Verwalter des Erbes von Jörg Haider, hatte bei den Wahlen in Wien mit dem Ruf „Mehr Mut für unser Wiener Blut“ ein historisches Rekordergebnis für seine Partei erreicht.

Wieso priesen Rabbiner und ein israelischer Vizeminister Gottes wundersame Taten in der Gegenwart jenes Mannes, den seine Anhänger zärtlich „Heinzi“ nennen? Die Antwort liegt in dem Prinzip, dass der Gegner meines Gegners mein Freund ist. Wenn Person A (europäischer Populist) den Koran mit „Mein Kampf“ gleichsetzt, wird er zwangsläufig von Person B (israelischer Populist) herzlich empfangen. Dieses Prinzip lässt führende israelische Politiker – vor allem die auf der nationalistischen Rechten – ihre Arme für eine bunte Mischung europäischer Ausländerfeinde, Ex-Faschisten und Fanatiker öffnen: Lasst sie zu uns kommen, solange Noam Chomsky und die übrigen radikalen Israel-Kritiker nicht rein dürfen.

Allein in den vergangenen Monaten waren in Israel zu Besuch – wenn auch nicht offiziell eingeladen: der Führer der belgischen Anti-Einwanderungspartei „Vlaams Belang”, Filip Dewinter; der Berliner Politiker René Stadtkewitz, der gerne so erfolgreich wäre wie der niederländische Islamhasser Geert Wilders; und, als Stargast, Wilders höchstpersönlich.

Sie alle legen sehr großen Wert darauf, nicht als Vertreter des traditionellen und heutzutage weniger akzeptierten europäischen Hasses auf eine Minderheit (Juden) zu erscheinen, sondern als die zeitgemäßen Verächter einer anderen (Muslime). „Einige meiner besten Freunde sind Israelis“ ist der Spruch all jener, die Burkas für schmutzig und die Türkei für die Quelle allen Übels halten. Diese unheilige nationalistische Allianz ist nicht nur zynisch und unmoralisch, sie ist auch gefährlich. Herr Strache macht mit der türkischen Belagerung von Wien im Jahr 1683 Wahlkampf. Herr Wilders hat mir in einem Interview gesagt, dass die Israelis der letzte Außenposten im Kampf gegen den weltweiten Heiligen Krieg sind. Die israelische Rechte macht sich diese Belagerungsideologie leidenschaftlich und erfolgreich zunutze. Die vergangenen Wahlen und die aktuellen Umfragen zeigen, dass der größte Renner auf dem politischen Marktplatz Israels eine Mischung aus Verfolgungswahn, Ausländerfeindlichkeit und Hysterie ist – exakt das Angebot von Strache & Co.

Und darin besteht die wahre Gefahr: dass die Zusammenarbeit mit ausländischen Fanatikern die israelische Ghetto-Mentalität verstärkt – und sich der Glaube verbreitet, man könne in dieser Welt nur überleben, wenn man sich hinter Mauern aus Misstrauen, Feindschaft und Diskriminierung versteckt. Das ist jedoch wahnhaft und gefährlich.

Israels Gründungsidee war eine andere: Es ging darum, sich von der äußeren Bedrohung des Antisemitismus zu befreien und dem jüdischen Syndrom eines geradezu selbstmörderischen gesellschaftlichen Rückzugs (den es vor allem in Osteuropa gegeben hatte) entgegenzutreten. Endlich eine Nation wie andere Nationen zu sein, ein Volk wie andere Völker – das war der Traum. Ironischerweise erreichen die Israelis gerade das vollkommene Gegenteil: Sie verfallen in eine von Panik getriebene Banden-Mentalität. Wenn dieses Denken zur Raison d’être des israelischen Staates werden sollte, hätten Strache und die anderen mehr zu feiern als lediglich einen Sieg bei Lokalwahlen.

Sie werden dann nämlich beobachten können, wie sich die Juden wieder einmal in eine Art Ghetto verkriechen, um die Hilfe von jenen betteln, die sie verachten, und – das ist entscheidend – die klassische rassistische Vorstellung verinnerlichen, dass ein Jude nur schwach, untertänig und von Natur aus im Konflikt mit seiner Umgebung sein kann. Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Nein, nicht Heinz Strache.

Der Autor ist Korrespondent in Berlin für den israelischen Fernsehsender Channel 10 News.

Ilan Goren

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