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Regierungskonzept: Energischer Dissens

Das ganze Energiekonzept dient vor allem dazu, die Laufzeitverlängerung für die Kernkraftwerke zu rechtfertigen. Mit diesem Konzept mit der Brechstange schafft die Regierungskoalition gerade das nicht, was sie vorgibt: Sie schafft keine Investitionssicherheit.

Ein „Meilenstein der Wirtschaftsgeschichte“ soll das Energiekonzept der Bundesregierung sein. So hat Umweltminister Norbert Röttgen das 40-Seiten-Papier mit 20 Prüfaufträgen und weiteren 15 vagen Ankündigungen bezeichnet. Doch dieser „energiepolitische Konsens“, wie es auf der letzten Seite des Konzepts heißt, ist zunächst einmal ein Konsens zwischen den Unionsparteien und der FDP. Und genau das war der gebeutelten Regierungskoalition wichtiger als ein Energiekonzept, das tatsächlich bis ins Jahr 2050 trägt.

Das Wohlfühlkonzept für die schwarz- gelbe Koalition besteht offensichtlich darin, vor allem eines klarzustellen: Da stehen wir, und dort stehen die. Wir, das sind neben den Regierungsparteien die vier großen Energiekonzerne und der Bundesverband der deutschen Industrie, der sich im direkten Anschluss an die Verabschiedung des Energiekonzepts mit der Forderung durchsetzen konnte, den energieintensiven Industrien auch künftig Milliardenbeträge bei der Ökosteuer zu schenken. Die, das sind die Opposition, die Branche der erneuerbaren Energien, die Bürger, die sich gegen Atomstrom, neue Kohlekraftwerke oder Strommasten in ihren Vorgärten wehren. Und die sind auch schuld, dass das mit dem „Zeitalter der erneuerbaren Energien“ am Ende nichts werden wird, weil sie verhindern, dass Wind- und Sonnenstrom auch transportiert werden kann. So argumentieren Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Umweltminister.

Das ganze Energiekonzept dient vor allem dazu, die Laufzeitverlängerung für die Kernkraftwerke zu rechtfertigen. Das war für die Identität der Regierungskoalition sehr wichtig. Und das sind die einzigen wirklich konkreten Beschlüsse, die am Dienstag im Kabinett bereits gefasst worden sind und unmittelbar danach von den Koalitionsfraktionen als Gesetzentwürfe ins Parlament eingebracht werden sollen. Das Energiekonzept gruppiert sich um die Grundsatzentscheidung, den gesellschaftlichen Energiekonsens aus dem Jahr 2000 aufzukündigen. Das Ergebnis ist ein Energiedissens, der letztlich dazu führen wird, dass jahrelang überhaupt nicht mehr in den Umbau des Energiesystems investiert werden wird.

Mit diesem Energiekonzept mit der Brechstange schafft die Regierungskoalition gerade das nicht, was sie vorgibt zu tun: Sie schafft keine Investitionssicherheit. Die Opposition hat angekündigt, gegen die Laufzeitverlängerung vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen, weil die Gesetze am Bundesrat vorbei beschlossen werden sollen. Zudem haben SPD und Grüne angekündigt, die Laufzeitverlängerung zurückzunehmen, sollten sie wieder in eine Regierung gewählt werden. Das scheint ziemlich verlustfrei möglich zu sein, weil die betreffende Strommenge wohl kaum unter den Eigentumsschutz des Grundgesetzes fallen dürfte.

Mit diesem gesellschaftlichen Patt kann niemand zufrieden sein. Die Stadtwerke werden nicht investieren, weil sich ihre Pläne nur hätten umsetzen lassen, wenn die Marktmacht der vier großen Konzerne durch die Stilllegung von Atomkraftwerken gesunken wäre. Die vier Großen werden ihre vielfach versprochenen Investitionen in neue Windparks auf hoher See so weit wie möglich verschieben, weil sie nicht wissen, wie der Konflikt in Karlsruhe und die nächste Bundestagswahl ausgehen. Und in erneuerbare Energien wird ebenfalls weniger investiert werden, weil der Strom der alten Meiler die Netze verstopft. Da hilft auch der unbegrenzte Einspeisevorrang für Wind- oder Sonnenstrom wenig, denn genau dieses Privileg, das den Ausbau der erneuerbaren Energien bisher gestützt hat, wendet sich nun gegen die sauberen Energien. Die Ausgleichsmechanismen, mit denen dieser Einspeisevorrang organisiert wird, führen dazu, dass der saubere Strom von den Kunden mehrfach bezahlt werden muss, wenn zu viel Strom im Netz ist. Damit sinkt die Akzeptanz bei den Kunden. Außerdem läuft ein Großteil der Prüfaufträge im Energiekonzept darauf hinaus, die Förderarchitektur für die Erneuerbaren zu deren Ungunsten zu verändern. Von wegen „Zeitalter der erneuerbaren Energien“.

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