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Die US-amerikanische Produzent und Musiker Steve Albini.

© dpa/Brian Cassella

Zum Tod des großen Musikproduzenten Steve Albini: Maximum Implosion

Verantwortlich für Nirvanas „In Utero“ und viele andere berühmte Rockalben: Der Produzent und Noiserock-Musiker Steve Albini ist im Alter von 61 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Am liebsten würde man einen Nachruf auf diesen Musiker und Produzenten natürlich mit dessen eigenen Bands beginnen, mit Bands wie Big Black, Rapeman und Shellac, mit deren Musik und ihrer für Rock- und Indierockverhältnisse unvergleichlichen Roheit, ja, Ungeschlachtheit, mit ihrer Härte, Dynamik und letztendlich: Frische.

Doch Steve Albini hat sich primär als Produzent einen großen Namen gemacht und in die Popgeschichte eingeschrieben. Er war verantwortlich für das 1988 veröffentliche Debütalbum der Pixies, „Surfer Rosa“. Auf diesem ließ er bei aller Direktheit und Kargheit des von ihm bevorzugten Sounds immerhin noch so viele Ecken und Kanten, dass diese von anderen für den „Surfer-Rosa“ Nachfolger „Doolittle“ weltkarrieretauglich noch weggeschliffen werden konnten.

Seine erste Band hieß Big Black

Im Fall von Nirvana ist es umgekehrt gewesen: Als Kurt Cobain und die Seinen mit ihrem „Nevermind“-Superstardom nicht mehr umzugehen wussten und zurück zu ihren schrofferen, wild wuchernden Wurzeln zurückkehren wollten, engagierten sie für ihr letztes reguläres Studioalbum vor Cobains Selbstmord Steve Albini. Und der produzierte ihnen „In Utero“ auf eine Art und Weise, dass viele Nirvana-Fans glaubten, ihre Lieblinge hätten nichts anderes mehr als die reine Selbstzerstörung im Sinn.

Albini wurde 1962 im kalifornischen Pasadena geboren, wuchs in Montana auf, entdeckte hier den Punk und zog dann nach Chicago, um Journalist zu werden. Anfang der achtziger Jahre gründete er mit Big Black seine erste Band. Mit dieser wandte er sich nuancenreich vom Punk ab, kreierte eine eigene, komplexere Form des Postpunk und Hardcore und veröffentlichte mit „Atomizer“ und „Songs About Fucking“ zwei wegweisende Alben. Doch schon zu dieser Zeit zog es Albini verstärkt auch hinter die Mischpulte, um die Musik anderer zu produzieren und das Beste, Idealtypische aus den jeweiligen Bands herauszuholen.

Die Liste der von Steve Albini verantworteten Alben liest sich wie ein Who-is-Who des Rock und Indierock der achtziger und neunziger Jahre. Mit dabei: die Breeders, Wedding Present, Bush, Jon Spencer Blues Explosion oder die Berliner 18th Dye, natürlich Wesensverwandte wie Jesus Lizard, Helmet (deren ikonisches Album „Meantime“!) oder McLusky, aber auch Jimmy Page und Robert Plant von Led Zeppelin (deren Album „Walking Into Clarksdale“). Und später so verschiedene Acts wie Joanna Newsom, Sunn O))) oder Iggy Pop.

Berühmter Pokerspieler

Albini vermied es häufig, allzu sehr in die Sounds der Bands einzugreifen. Er versuchte, deren Live-Dynamik auch im Studio zu konservieren und betrachtete sich lieber als Ton- oder Sound-Ingenieur als als Produzent. Was die Musikindustrie anbetrifft, war er ähnlich wie Ian McKaye von Fugazi oder Henry Rollins einer deren schärfsten Kritiker, in vordigitalen Zeiten, erst recht in digitalen. Konsequenterweise nahm er für seine Produktionsarbeit stets nur ein Honorar und ließ sich nicht an Plattenverkäufen beteiligen. Was er als Musiker und mit seinem Studio in Chicago nur unzureichend verdiente, holte er übrigens in seinem Nebenleben als professioneller Pokerspieler wieder herein. Erfolgreich: Knapp 400.000 Dollar soll er in seiner Zweitkarriere damit verdient haben.

Minimalistisch, hermetisch

Die Band Shellac, die er 1992 noch vor der Arbeit an „In Utero“ gegründet hatte, sollte sein langlebigstes Projekt werden. Neben den erwähnten Helmet spielten Shellac vielleicht den minimalistischsten, hermetischsten, sprödesten Noiserock aller Zeiten. Postrock fast ohne Rock, wenn man so will.

Nachdem 2014 mit „Dude Incredible“ Shellacs fünftes und bislang letztes Album herausgekommen war und man sich mit typisch kaputten Zusammenarbeiten Albinis beispielsweise mit alten Buddies wie Zeni Geva begnügen musste, zum Beispiel „Maximum Implosion“, sollte kommende Woche ein neues Album von Shellac erscheinen. Dessen Veröffentlichung wird er tragischerweise nicht mehr erleben. Steve Albini ist am Mittwoch in seinem Haus in Chicago einem Herzinfarkt erlegen. Er wurde nur 61 Jahre alt.

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