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Kultur: Rot-Grün und die PDS: Rot werden

Wer in diesen Tagen in Berlin mit Sozialdemokraten über eine mögliche rot-rote Koalition von SPD und PDS nach der Abgeordnetenhauswahl im Herbst spricht, bekommt häufig eine Antwort. "Ich hoffe, dass dieser Kelch an uns vorüber geht", heißt es mit einem Hauch Verunsicherung.

Wer in diesen Tagen in Berlin mit Sozialdemokraten über eine mögliche rot-rote Koalition von SPD und PDS nach der Abgeordnetenhauswahl im Herbst spricht, bekommt häufig eine Antwort. "Ich hoffe, dass dieser Kelch an uns vorüber geht", heißt es mit einem Hauch Verunsicherung. Noch immer können sich viele Sozialdemokraten nur schwer mit dem Gedanken anfreunden, künftig ausgerechnet in Berlin gemeinsam mit den Erben der SED die Regierung zu bilden. Die Zerreißprobe für die SPD droht aber erst nach der Wahl. Dann muss ernsthaft darüber entschieden werden, ob Senatoren der PDS in Berlin die Geschicke der Stadt mitbestimmen.

Gerhard Schröder, der Bundeskanzler und Bundesvorsitzende der SPD, übernahm es am Sonntag auf dem außerordentlichen Landesparteitag der Berliner Sozialdemokraten selbst, Verständnis für das neue Bündnis mit den Postkommunisten zu wecken. "Ich habe Respekt vor allen denjenigen, die vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen skeptisch waren", sagte er an die Adresse vor allem der ostdeutschen Sozialdemokraten, die in der DDR unter der Herrschaft der SED litten. Aber: Es gehe schließlich um die Zukunft der Stadt. Und "da muss man auch eigene Bedenken zurückstellen", erklärte Schröder. Für den Kanzler ist das "praktizierte Solidarität".

Ansonsten ging der Kanzler in seiner Parteitagsrede auf die PDS und eine mögliche rot-rote Zukunft nicht näher ein. Sein Augenmerk gilt vor allem einem aus der PDS: "Es gibt Gregor Gysi", stellt Schröder fest, und der sei "gleichsam so etwas wie ein Schafs pelz". Nein, Schröder meint nicht, Gysi sei der böse Wolf im Schafspelz. "Den gibt es nicht mehr so richtig." Nein, Schröder meint, Gysi wärme als Schafspelz die "frostige Schar" der Altkader in der PDS. Die PDS und Gysi: Für den Kanzler, der sich im Bundestag herzlich über die Reden des PDS-Abgeordneten freuen kann, ist das nicht dasselbe.

Aber Schröder ist bereit, in Berlin notfalls das Bündnis mit den Postkommunisten einzugehen. Die Wahl Klaus Wowereits zum neuen Regierenden Bürgermeister mit Hilfe der PDS ist von der Bundes-SPD maßgeblich unterstützt worden. Es passt in Schröders Kalkül, auch die PDS in die Liste möglicher Koalitionsoptionen der SPD aufzunehmen. Nicht ohne Grund reagierte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering nach der Erklärung der PDS zum Mauerbau mit sehr entgegenkommenden Gesten. "Die richtigen Worte sind gefunden", ließ Müntefering erklären, "in der Praxis des politischen Alltags muss sich beweisen, dass sie ehrlich gemeint sind."

Doch das Spiel, die PDS als Bündnispartner in Berlin salonfähig zu machen, ist riskant für die Sozialdemokraten. Was passiert, wenn es für Schröders und Wowereits Wunschkoalition Rot-Grün nicht reicht, Sozialdemokraten und PDS aber allein die absolute Mehrheit der Mandate im neuen Abgeordnetenhaus hätten? Die neuesten Umfragen deuten darauf hin, dass sie sich auf solche Konstellationen einstellen müssen. Die Grünen wären dann für die Mehrheit überflüssig und bei einer rot-rot-grünen Koalition nicht konfliktfähig. Die Vorstellung, in Berlin bald allein in einem rot-roten Bündnis gegen die CDU, die Grünen und die FDP zu regieren, schreckt viele SPD-Politiker.

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, mag sich mit Rot-Rot allein nicht anfreunden. "Ich glaube, die Berliner SPD würde es bevorzugen, wenn die Grünen mit in der Regierung sind", sagt er. Struck macht gar keinen Hehl daraus, dass er die PDS für eine gnadenlos populistische Partei hält, die er auch in Berlin gerne von der Macht fernhalten würde. Sein Traum: eine Ampelkoalition, also ein Bündnis von Rot, Gelb (FDP) und Grün. Ein solches Bündnis zöge auch Berlins Bildungssenator Klaus Böger dem Bündnis mit der PDS vor. "Es ist aber redlich zu sagen, was man macht, wenn es dafür nicht reichen sollte", meint Struck.

Im Wahlprogramm, das sie am Sonntag auf ihrem Parteitag beschlossen haben, hält sich die SPD mit Koalitionsaussagen zurück. Nur eines steht für den neuen Regierenden Bürgermeister Wowereit und seine Partei fest: "Eine erneute Koalition mit der CDU ist für die Berliner SPD nach dieser Wahl ausgeschlossen." An der Formulierung zur PDS haben Wowereit und die Berliner Spitzengenossen länger gefeilt. Jetzt sieht sie so aus, dass die SPD die Zerreißprobe für die Partei vermeidet und die Festlegung erst nach der Wahl trifft. "Wir streben keine Koalition mit der PDS an", heißt es, "schließen aber nicht mehr aus, sie in die politische Verantwortung einzubeziehen". Das lässt alles zu.

Für Klaus Böger heißt das zuerst einmal nur, dass es jetzt "keine Wahl mit einer Tabuisierung der PDS" mehr gibt. "Daraus den Schluss zu ziehen, wir wollen auf jeden Fall mit der PDS, ist falsch", sagt er. Jetzt, nachdem die Postkommunisten die Wahl Wowereits mitgetragen haben, kommt es nach Ansicht Bögers darauf an, dass die PDS auch "Schritt für Schritt Positionen zu Themen übernimmt, die wichtig sind für unsere Stadt". Zum Beispiel der geplante Großflughafen in Schönefeld. Bislang lehnt die PDS diese Pläne ab, am Donnerstag muss sie aber einem Zuschuss von 40 Millionen Mark zustimmen, wenn der Nachtragsetat im Abgeordnetenhaus behandelt wird. Das sind die kleinen Schritte, die zeigen, ob Rot-Rot im Alltag funktionieren könnte oder nicht.

Carsten Germis

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