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Kultur: Psyche in der Petrischale

Lieneke Dijkzeuls Krimi „Schweigende Sünde“.

Ziemlich mutig, diese Autorin. Lieneke Dijkzeul schreibt Krimis, in denen man mittendrin erfährt, wer der Mörder ist. Die Spannung lässt dadurch nicht nach. Denn jetzt kommt das, was Lieneke Dijkzeul genauso interessiert wie ein gut ausgeführter Mord mit einem stimmigen Motiv – jetzt lernt der Mörder, wie er mit seiner Schuld umgehen und leben kann.

„Schweigende Sünde“ ist nach „Vor dem Regen kommt der Tod“ der zweite auf Deutsch erschienene Kriminalroman der niederländischen Autorin, die zuvor mit Kinder- und Jugendbüchern bekannt geworden war. Wieder ermitteln der nicht mehr junge Kommissar Paul Vegter und seine Leute in einer großen Stadt ohne Namen, dafür aber mit allen städtischen Problemen, die man aus den Niederlanden kennt, von den Friktionen zwischen Einheimischen und Migranten bis zum wacker-stolzen Proletentum ganzer Bevölkerungsschichten. Das Kolorit dürfte deutschen Lesern vertraut und fremd zugleich sein – und es lässt Kommissar Vegter hadern mit seinem Land und natürlich auch mit der Zeit, in der er lebt. Laut, etwas heruntergekommen und verspannt sind die Niederländer, und um den Lehrer, der am Anfang tot auf dem Boden einer Schultoilette liegt, trauert auch niemand.

Als Vegter und seine Ermittler sich mit dem Vorleben des Pädagogen vertraut gemacht haben, wissen sie bald, warum die Trauer um ihn ausbleibt. Janson war nicht bloß ein hochmütiger, von sich selbst eingenommener Typ. Der gutaussehende Mann hatte in seinem Leben Frauenherzen in Serie gebrochen, auch die von Schülerinnen. Vegter lernt eine Menge Leute kennen, die gute Gründe gehabt hätten, diesem Eric Janson einen Schlag über den Kopf zu geben.

Die Ermittlung bringt eine Frau und einen Mann zusammen, Schulfreunde von früher, die inzwischen gut zusammenzupassen scheinen. Fast beiläufig erzählt die Niederländerin, warum einer von beiden den anderen des Mordes verdächtigt, und entwickelt den Mordfall zu einer Erpressungsgeschicht. Lieneke Dijkzeul baut hier eine Art Psycho-Labor auf und sieht dann mit den Augen einer Verhaltensforscherin zu, wie Menschen einander unter Druck setzen, bis sie es nicht mehr aushalten. Sie schreibt Krimis, die kein Schema brauchen: eigensinnig, unaufgeregt, böse. Werner van Bebber

Lieneke Dijkzeul

Schweigende Sünde. Roman. Aus dem

Niederländischen von Christiane Burkhardt.

Deutscher Taschenbuch Verlag,

München 2012.

335 Seiten, 9,95 €.

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