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David Chipperfield im Erweiterungsbau des neuen Kunsthaus Zürich.

© picture alliance/dpa/KEYSTONE

Pritzker-Preis für David Chipperfield: Lob der Zurückhaltung

Unser Autor freut sich über den Pritzker-Preis für David Chipperfield. Weil die Stärke seiner Gebäude darin liegt, keinen Stil zu benötigen.

Ein Kommentar von Nikolaus Bernau

David Chipperfield wird der Pritzker-Preis verliehen, die wichtigste Architekturauszeichnung der Welt. Keine wirkliche Überraschung, sein Name steht seit Jahren auf der Liste. Aber trotz aller gefeierten künstlerischen Qualität des Büros mit seinen vier Dependancen in London, Berlin, Mailand und Schanghai passte es nie zum 1979 etablierten Geniekult des Prizker-Preises.

Dabei ist dieser Geniekult blanker Unsinn. Auch Chipperfield wäre ohne die Kreativität und Kompetenz seiner inzwischen elf Partner und Partnerinnen sowie der überaus agilen Ehefrau Evelyn Stern nur ein Provinzarchitekt geblieben. Eigentlich hätte dieser Preis also an „David Chipperfield Architects“, an das Team DCA gehen müssen. Zumal dieses Team noch mit der zweiten Kernthese des Pritzker-Preises bricht: Dass ein Büro eine „Handschrift“, einen „Stil“ haben müsse, à la Zaha Hadids Riesenwellen.

DCA dagegen verweigern sich dem Stil systematisch: Die Verbeugung vor der Architekturgeschichte im Berliner Neuen Museum, der gerasterte Justizpalast in Barcelona, das brutalistisch-karge Marbacher Literaturmuseum, der pfeilerselige Neoklassizismus des Eingangsbaus zur Berliner Museumsinsel, die schimmernde BBC-Kiste in Glasgow, die gläserne Eiseskühle des Museums in Anchorage könnten aus völlig unterschiedlichen Büros stammen.

Sicher ist das auch eine ökonomische Strategie, CDA-Entwürfe passen mit ihrer Vielfalt oft viel besser in eine pluralistische Moderne als die ihrer Konkurrenten. Aber hier ist auch eine grundsätzliche Haltung zu sehen: Gute Architektur sei, wie Chipperfield kürzlich im Gespräch mit dem Autor dieser Zeilen sagte, immer ein Prozess, eine moderierende Debatte mit Auftraggebern, der Geschichte, Historikern und Soziologen, dem Ort, der Gesellschaft, ihren Emotionen und Erinnerungen. Deswegen müsse jedes Projekt anders sein, deswegen lobt er immer wieder die wahrlich harten Berliner Debatten um den Wiederaufbau des Neuen Museums.

Schon damals, um 2000 herum, forderte er (vergeblich) ein ähnliches Einstehen der Londoner für ihre vom radikalkapitalistischen Umbau bedrohte City. Dass Architekten ausdrücklich ästhetische Zurückhaltung fordern, jedenfalls überwundene Widersacher loben und, selbst wenn sie eifrig für kapitalistische Unternehmen arbeiten wie etwa für Karstadt am Hermannplatz, kapitalistische Stadtzerstörung kritisieren – auch das sind Gründe, um DCA auszuzeichnen.

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