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Springsteen-Album: Mission erfüllt

Obama (2): "Working On A Dream", Bruce Springsteens Album zur Inauguration

Auftritt des Schurken. Er stiehlt und mordet, schon als Baby raubte er in Windeln die erste Bank aus und schrie: „I’m Outlaw Pete, can you hear me?“ Eine Spur der Verwüstung legt der Gesetzlose durchs Land, bis ihn die Vision seines eigenen Todes aufschreckt. Da beschließt er, sich zu ändern. Doch es funktioniert nicht. Ein Kopfgeldjäger setzt ihm nach: „We cannot undo these things we’ve done“, sagt der Rivale, aber da liegt der bereits im Blut. Outlaw Pete zieht davon, reitet ins Gebirge, auf einem vereisten Gipfel gibt er seinem Pferd zum letzten Mal die Sporen. Wie tief muss man fallen, um die Kehrtwende zu schaffen? Das ist die Frage, die Bruce Springsteen im Auftaktsong seines neuen, am Freitag erscheinenden Albums „Working on a Dream“ stellt.

Es fällt nicht schwer, in dem Outlaw eine Metapher für Amerika selbst zu sehen. Das Land hat Gesetze missachtet, gemordet und eine Spur der Verwüstung gezogen. Es hat sich selbst ausgestoßen in dem Bemühen, seine eigenen Regeln zu machen. Und es steht am Abgrund. Während der neue Präsident seine Landsleute an die Stärken erinnert, die ihnen aus ur- amerikanischen Erfahrungen zuwachsen, liefert Springsteen mit seinem 16. Album den Soundtrack zur Obama-Wende. Eingespielt wurde es wieder mit der E Street Band. Die neunköpfige Formation ackert sich durch zum Teil furiose Hymnen, die Spring steen so ähnlich schon mal geschrieben hat und jetzt Titel wie „What Love Can Do“, „My Lucky Day“ oder „Life Itself“ tragen. Mit rustikalem Breitwand rock, schepperndem Blues, Gospelchören und Streichern wendet sich „der Boss“ an das historische Bewusstsein seiner Landsleute. Im symbolischen Rückgriff finden Musik und Politik zusammen.

Der Legende nach soll Spring steen eine Art Erweckungserlebnis auf einem Parkplatz in New Jersey gehabt haben. Der Musiker wollte am 12. September 2001 einen Blick auf Manhattan und die Stelle werfen, an der das World Trade Center gestanden hatte. Ein Mann erkannte ihn, öffnete das Wagenfenster und sagte: „We need you now.“

Es ist ein Fluch, gebraucht zu werden, wenn man einen Oscar und 18 Grammys gewonnen sowie 120 Millionen Alben verkauft hat und dabei immer nur sich selbst vertrauen musste. Aber Springsteen, dieser große Seelenmasseur und Graswurzel-Philosoph der amerikanischen Rockmusik, konnte dem Ruf nicht widerstehen. Es folgte das Traueralbum „The Rising“ über die 9/11-Katastrophe, die „Vote For Change“-Kampagne, die John Kerry ins Amt heben wollte. Er war so erfüllt von der Forderung, etwas zu unternehmen, dass er sich auch Obamas Wahlkampftross anschloss. Der Titelsong seines „Rising“-Projekts avancierte zur Mobilisierungsfanfare für die höhere Sache des neuen Mannes.

Mit „Working on a Dream“ kommt nun das Inauguration-Album, das die Aufbruchsstimmung des Landes aufgreift. Wenn im Titelsong ein weiter Bogen von Martin Luther King bis zu Obama gespannt wird, liegt mehr als ein Amtswechsel in der Luft. Aber auch weniger als eine Verheißung: das Arbeiterkind Spring steen krempelt die Arme hoch für seinen Traum. Trotzdem tut „Gottes einsamstem Mann“ („Rolling Stone“) die Nähe zur Macht nicht gut. Seine Songs sind aufgeblähte Liebeserklärungen. Zu aufdringlich kettet sich an Obamas smartes Lächeln der Wunsch nach mehr Menschlichkeit („In the dark of this exile/ I felt the grace of your smile“). Das Problem: Die Hoffnung auf den Politikwechsel, die das Album zur Herzensangelegenheit gemacht hat und Pathos rechtfertigte, hat sich erfüllt. Der Rest ist Nachhall.

Springsteen spielt mit der E Street Band am 2. Juli in München, 3. Juli in Frankfurt am Main, 5. Juli in Wien.

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